25/01/2018
Ein Interview zum neuen Erscheinungsbild der Andreasgemeinde Niederhöchstadt beleuchtet einen typischen Projektablauf sowie grundlegende Fragen zum Thema Design:
Der Profi hinter dem neuen Erscheinungsbild – ein Interview mit Stefan Wiegandt
In allen gestalterischen und technischen Fragen wird das Projektteam für das neue Erscheinungsbild der Gemeinde von einem professionellen Designer unterstützt. Nachdem in der Anfangsphase des Projekts mehrere Büros angefragt und Gespräche geführt wurden, fiel die Wahl auf das Designbüro Wiegandt aus Kelkheim. Über die Rolle im Prozess, was Design eigentlich ist und die Herausforderungen am Auftrag der Andreasgemeinde – darum geht dieses Interview von Christian Hatzfeld mit Stefan Wiegandt.
Christian Hatzfeld: Herr Wiegandt, auf Ihrer Visitenkarte steht "Diplom-Designer". Design ist doch, wenn etwas gut aussieht - was kann man denn da studieren?
Stefan Wiegandt: Ich würde das anders definieren. "Wenn etwas schön aussieht", dann ist das Ästhetik. Design hingegen ist der Versuch etwas so zu verändern und zu vereinfachen, dass es auf mehreren Ebenen besser verwendbar oder verständlich ist als vorher. Das klingt jetzt sehr abstrakt, was daran liegt, dass "Design" einen sehr breiten Bereich abdeckt, der alle Sinne anspricht. Gestaltet ein Designer ein Magazin, betrifft das vor allem das Sehen, ein Sound-Designer hingegen muss sich auf das Gehör der Zielgruppe fixieren und ein Food-Designer muss gleichzeitig noch Geschmacks- und Geruchssinn berücksichtigen.
Das bedeutet, dass ein Studium des Designs auch ähnlich breit aufgestellt sein muss. Man studiert im Grunde "Kreativität". Das ist die Fähigkeit wahrgenommene Dinge im Geiste gewissermaßen auseinander zu nehmen und die Einzelteile so neu zusammen zu setzen, dass etwas Reizvolles entsteht, das dem Verwender in irgendeiner Weise einen Vorteil bietet.
So besteht das Studium "Kommunikationsdesign" - was sich vornehmlich mit optischem Design zur Übermittlung von Botschaften beschäftigt (Wie z.B. Werbung) - unter anderem aus den Bereichen Fotografie, Typografie (Schriftenkunde), Illustration, Animation und vielem mehr. Man besitzt am Ende des Studiums einen Baukasten an Fertigkeiten, die es dem Designer ermöglichen in den unterschiedlichsten Bereichen gestalterisch tätig zu sein. Meist geht es dann darum bestimmte Botschaften oder Funktionen möglichst effektiv zu optimieren. Das unterscheidet übrigens auch Kunst von Design. Design hat immer einen Zweck oder praktischen Nutzen.
Die Andreasgemeinde arbeitet mit Ihnen zusammen, um ein neues Erscheinungsbild zu erarbeiten. Welche Rolle haben Sie als Designer in einem solchen Prozess?
Ich stelle beruflich meinen Kunden meine kreativen Fähigkeiten, meine Erfahrung und meine technischen Möglichkeiten zur Verfügung. Meist hat mein Kunde, wie auch die Andreasgemeinde, recht konkrete Ansprüche oder Vorstellungen, die ich versuche so professionell wie möglich zu erfüllen und im Idealfall zu übertreffen.
Das geht natürlich nur durch ein "Herantasten" in Zusammenarbeit mit dem Kunden selbst. Am Anfang eines Gestaltungsprozesses steht immer die Entwurfsphase, in der verschiedene Ideen skizziert werden um dann im Dialog mit dem Kunden herauszufinden, welche der Ideen den Vorstellungen am nächsten kommt. Anschließend wird dann an der bevorzugten Idee so lange weiter gearbeitet, bis es stimmig ist, und die Ansprüche erfüllt wurden.
Gewissermaßen konkretisiere ich die häufig eher diffusen Vorstellungen eines Kunden mit meinen gestalterischen Möglichkeiten und bringe diese so in die Realität um dort einen Zweck zu erfüllen.
Woher bekommen Sie Ihre Inspiration für die unterschiedlichen Entwürfe? Ich erinnere mich noch an die fünf, sehr unterschiedlichen ersten Vorschläge für das neue Logo der Andreasgemeinde – und alle noch mit Untervarianten…
Inspiration kann es überall geben. Das ist das Schöne an der Kreativität. Sie wird zu einem Teil des eigenen Selbst. Man schaut, hört und nimmt die Welt sozusagen in "Einzelteilen" war. Sehe ich beispielsweise etwas Banales wie eine Milchtüte, zerlegt mein Geist diese gleich in Formen, Farben, Kompositionen und so weiter. Gefallen mir einige dieser Teile, oder halte ich manches davon für nützlich, werden diese sofort in meinem gedanklichen Speicher für zukünftige Verwendungen abgelegt. Dieser Prozess nennt sich dann Inspiration.
In dieser Eigenschaft des unbewussten "Zerlegens" der Realität liegt allerdings auch eine Gefahr. Viele Kreative suchen permanent nach Inspiration, so lange bis es nicht mehr viel gibt, dass Sie als neu oder reizvoll empfinden, weil Sie mehr und mehr in allem die gleichen "Bausteine" wieder erkennen. Das kann dazu führen, dass Kreative irgendwann keine Inspiration bzw. Anregung mehr finden, bis hin zu schwerwiegenden psychischen Schwierigkeiten.
Was hat Sie am Auftrag der Andreasgemeinde gereizt?
Der Auftrag beinhaltete eine sehr umfassende Konzeption von einem kompletten Erscheinungsbild. Das bedeutete ein neues Logo, eine neue Farbwelt, ein neues Schriftenkonzept und so weiter. Bei dieser Form einer neuen Kreation kann man noch die ursprüngliche Form der kreativen Arbeit erleben, was mir als Designer besonders Spaß macht.
Gerade das Logo-Design ist mein Steckenpferd, da es in kleiner kompakter Form einen hoch kreativen Prozess darstellt, der sozusagen aus dem "Nichts" etwas neuartiges hervorbringt. Ein kleines reduziertes Zeichen, das aber viel Inhalt bietet. Auch einfach anmutende Logos können eine imposante Geschichte haben, das versuche ich immer wieder deutlich zu machen. Hier verschwimmen übrigens auch die Grenzen zwischen Kunst und Design und da ich in meiner Jugend vor allem künstlerisch tätig war, bietet mir diese Vermischung der Disziplinen eine reizvolle Herausforderung.
Welcher Aspekt des neuen Erscheinungsbilds der Andreasgemeinde gefällt Ihnen persönlich am besten?
Mir gefällt vor allem das neue Logo der Gemeinde, das sich schön an dem vorherigen anlehnt, dabei aber moderner und stimmiger wirkt. Der Prozess der Logo-Erstellung war sehr lang und intensiv und wenn ich das Logo anschaue, sehe ich diesen Prozess wieder vor mir. Es steht in gewisser Weise für das gesamte Projekt. Mir ist klar, dass es nicht alle in der Gemeinde sofort überzeugen wird, aber ich hoffe ich konnte das Gefühl, den Zusammenhalt und die Professionalität dieser außergewöhnlichen Gemeinde darin einfangen.
Ich bin als im Projektteam Involvierter (und damit einer der finalen Entscheider) da natürlich befangen, aber ich finde, das ist Ihnen gut gelungen! Vielen Dank für das Interview!