04/11/2025
Der Teufel hat einen neuen Gast in der Hölle. Ein Nachruf auf Dick Cheney
Richard „Dick“ Cheney galt als einer der einflussreichsten, aber auch umstrittensten Machtpolitiker der US-Geschichte. Seine Karriere steht sinnbildlich für die Geschichte der USA. Eine global agierende Militärmacht und Terrorzentrale, die unter dem Vorwand von Sicherheit, Freiheit und Demokratie Kriege führt, mit verheerenden Folgen für Millionen von Menschen.
Cheney begann seine politische Laufbahn unter Präsident Gerald Ford, doch seine oftmals mörderische Rolle spielte er später: zunächst als US-Verteidigungsminister unter Georg Bush Senior (1989–1993) und dann als Vizepräsident unter George W. Bush Junior (2001–2009). In beiden Ämtern war er weit mehr als ein Beamter, er war der Drahtzieher im Hintergrund, der die Richtung der US-Außenpolitik maßgeblich bestimmte und gestaltete.
Als Verteidigungsminister orchestrierte Cheney 1991 den Golfkrieg gegen den Irak, nachdem Saddam Hussein Kuwait besetzt hatte. Der Krieg wurde als „saubere Operation“ verkauft – präzise Bomben, minimale Verluste, ein klarer Sieg, eigentlich wie immer wenn sich die USA durch die Welt mordet. Hinter dieser Fassade verbarg sich eine andere Wahrheit: zehntausende getötete irakische Soldaten, zahlreiche zivile Opfer und eine zerstörte Infrastruktur, welche die Bevölkerung noch Jahre später leiden ließ.
Die US-Armee zog sich zwar nach der sogenannten Befreiung Kuwaits zurück, doch die Region blieb destabilisiert.
Nach dem 11. September begann der Krieg gegen alles und jeden, vor allem gegen die muslimische Welt.
Nach den zweifelhaften Anschlägen vom 11. September 2001 war Cheney der mächtigste Mann im Weißen Haus. Er prägte die amerikanische Außenpolitik, mit einer Härte, die selbst in Washington beispiellos war. (Zum Thema 11.09.2001 könnte man im übrigen einen eigenen Artikel verfassen.) Unter seinem Einfluss begann der Krieg in Afghanistan, gefolgt von der globalen Ausweitung des sogenannten „Kriegs gegen den Terror“.
Geheime Gefängnisse, Folterpraktiken, gezielte Tötungen, die massenhafte Überwachung der eigenen Bevölkerung! All das trug Cheneys Handschrift. Er sah in rechtlichen Grenzen eher Hindernisse als Prinzipien.
2003 folgte der zweite große Feldzug: der Angriff auf den Irak. Cheney war einer der lautesten Befürworter der Invasion. Mit Nachdruck behauptete er, Saddam Hussein verfüge über Massenvernichtungswaffen – eine Lüge, die erst zugegeben wurde, als das Land bereits in Trümmern lag. Über dieses Thema kann er sich in der Hölle auch mit
Colin Powell austauschen, diesen holte der Teufel bereits vor ein paar Jahren.
Der Krieg forderte einen unermesslichen Preis: Hunderttausende Tote, Millionen Flüchtlinge, zerstörte Städte und ein politisches Vakuum, das später wirkliche Terrororganisationen hervorbrachte. Organisationen die Saddam Hussein im Übrigen immer bekämpfte!
Selbst konservative Stimmen in den USA gaben später zu, dass dieser Krieg ein historischer Fehler war. Ein Krieg, der ohne Cheney wohl nie in dieser Form geführt worden wäre!
Auch der Afghanistan-Krieg mit brd-Beteiligung trägt Cheneys Stempel. Er drängte auf einen schnellen Einmarsch, aber nicht auf einen klaren Plan für das Danach. Aus einer gezielten Strafaktion gegen Al-Qaida wurde ein zwanzigjähriger Krieg, der in Chaos und Resignation endete. Über 170.000 Menschen verloren ihr Leben, zahllose weitere ihre Heimat.
Zwischen seinen Regierungsämtern leitete Cheney den Energiekonzern Halliburton und genau dieser Konzern erhielt später Milliardenverträge für den Wiederaufbau im Irak. Für viele Beobachter ist das Symbol für die moralische Korruption und charakterliche Verwerflichkeit der Cheney-Ära: Politik, Krieg und Wirtschaft verschmolzen zu einem einzigen Machtapparat. Eigentlich prägt dieser Umstand die gesamte Geschichte der USA.
Während Konzerne und die Rüstungsindustrie Rekordgewinne einfuhren, verloren Soldaten, Zivilisten und ganze Gesellschaften ihr Leben, ihr Souveränität oder ihre Zukunft.
Die Kriege, an denen Cheney beteiligt war, forderten insgesamt Millionen von Todesopfern! Allein die US-geführten Konflikte und Kriege seit 2001 kosteten laut Schätzungen Millionen von Menschen das Leben. Die meisten davon waren und sind Zivilisten. Rechnet man die indirekten Folgen durch Hunger, Krankheiten und zerstörte Infrastruktur hinzu, sprechen einige Untersuchungen sogar von einer noch höheren Anzahl.
Und für was? Weder Afghanistan noch der Irak sind heute stabil. Der angebliche Terrorismus wurde nicht besiegt, sondern gestärkt und geografisch verteilt. Der Westen hat noch mehr an Glaubwürdigkeit verloren und die betroffenen Länder wurden in Jahrzehnte des Leidens gestürzt.
Cheney steht für eine Ära, in der Macht über Moral siegte und Lügen als Sicherheitsstrategie galten. Er verkörperte die Kälte und moralische Verkommenheit einer Politik, die Kriege plant wie Investitionen. Eine Politik die kalkuliert, entmenschlicht und dies möglichst profitabel.
Sein Vermächtnis ist kein Sieg der Demokratie, sondern ein Lehrstück über die DNA der US-Politik. Die Welt, die Cheney schuf, ist eine, in der Gewalt zur Routine geworden ist und Verantwortung zur Ausnahme.
Alexander Kurth