07/12/2024
Aus psychologischer Sicht ist das Bedürfnis, andere zu kategorisieren und einzuordnen, eng mit unserem Überlebensinstinkt verbunden. Es erlaubt uns, die Welt zu vereinfachen und schneller Entscheidungen zu treffen. Doch diese Tendenz birgt auch Risiken: Sie führt zu Vorurteilen, Stigmatisierung und dem Gefühl, über andere urteilen zu können, ohne ihre Geschichte zu kennen. Besonders Menschen, die mit psychischen oder chronischen Erkrankungen kämpfen, werden so oft auf ihre Symptome reduziert, während ihre inneren Kämpfe ignoriert werden.
Das Problem liegt darin, dass die Gesellschaft selten nach den „Warum?“ fragt. Warum greift jemand zu Medikamenten? Warum wirkt eine Person distanziert oder impulsiv? Hinter diesen Verhaltensweisen verbergen sich oft tiefe Wunden, schmerzhafte Erfahrungen und der verzweifelte Versuch, mit einer unsichtbaren Last zu leben. Doch anstatt Verständnis oder Empathie zu zeigen, urteilen viele schnell, um sich selbst überlegen oder sicher zu fühlen.
Um diesem Kreislauf zu entkommen, müssen wir lernen, nicht nur die Oberfläche zu sehen. Es braucht den Mut, sich mit dem Unbekannten auseinanderzusetzen und die Bereitschaft, die Geschichten hinter den Menschen zu ergründen. Denn erst dann können wir beginnen, die Welt mit mehr Mitgefühl und weniger Urteil zu betrachten – und vielleicht auch uns selbst besser zu verstehen.