24/10/2025
Herzlichen Glückwunsch zum manuskripte-Förderungspreis der Stadt Graz, liebe Hannah K Bründl!
Diese Woche wurde der Preis an die Autorin überreicht, auf YouTube gibt es ein sehenswertes Kurzporträt
(https://youtu.be/bFiX3ZLtTW0?si=aTR7Kyn2cXpD8VNr), hier die Jurybegründung von manuskripte-Herausgeber Andreas Unterweger:
Jurybegründung
„In Österreich“, heißt es zum Auftakt von Hannah K Bründls neuem Gedichtband schilfern, sei „jede dritte Frau ab dem Alter von 15 Jahren / von körperlicher und/oder sexualisierter Gewalt betroffen“. Die folgenden 61, schlicht durchnummerierten (anonymisierten?) Textkondensate wenden sich gegen das Schweigen, das dieses himmelschreiende Gesellschaftsverbrechen begleitet. Bründl gibt den Opfern ihre Stimmen zurück, setzt ihnen ein ebenso wütendes wie berührendes Denkmal aus Sprache.
Der „feministische“ Aspekt ist der – nicht zuletzt angesichts des Amoklaufs in Graz, der wiederum den Gewaltexzess eines Mannes gegenüber vorwiegend Frauen darstellt – dringlichste Ausdruck eines Engagements, das bei genauerer Betrachtung aufs Ganze zielt: „es haben die väter versagt“, und zwar in mehrerlei Hinsicht.
In einem kraftvollen poetologischen Abriss, der in der jüngeren zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur vergeblich seinesgleichen suchen wird, macht Bründl neben dem als „gesund und cis-männlich imaginierten Volkskörper“, der weiblichen Schmerz normalisiere, ignoriere oder tabuisiere, etwa auch das von „Konkurrenz und Vereinzelung“ profitierende „Wirtschaftssystem“ oder die Verlogenheit des Diskurses zum „sogenannte[n] Natürliche[n]“ als Reibungsflächen ihres Schreibens fest.
Selten fand sich ein berühmter Satz von Ingeborg Bachmann in so angemessener Umgebung wieder: „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.“
Wie ihrer legendären Vorgängerin ist Bründl dabei bewusst, „dass es um die Sprache an sich gehen muss“, dass „unser infiziertes sprechen“ abgestreift bzw. – entsprechend dem Titel ihres neuen Bands – (ab-)geschilfert werden muss, wenn zu dieser „Wahrheit“ durchgedrungen werden soll.
Folgerichtig ringen sowohl ihre lyrischen als auch ihre dramatischen Texte – mittels Verknappungen, Wiederholungen oder der nahtlosen, dabei stets ausgewiesenen Einbindung von Zitaten – um Sätze, Satzfetzen, Verse, die „bestehen bleiben in dieser sprache, die zu grob, zu materiell ist / auf dem boden / der die leiber versteckt hält, body by body“.
Es mag an ihrer Erfahrung als Dramatikerin liegen, dass es Hannah K Bründl gelingt, auf der Höhe ihres künstlerischen Anspruchs zu beharren, ohne dabei das Publikum aus den Augen zu verlieren.
So gesehen verfasst Hannah K Bründl Theaterstücke, die nicht nur inszeniert werden können, sondern auch gespielt, sie schreibt Gedichte, die man nicht nur loben will, sondern auch lesen.
Andreas Unterweger, Herausgeber manuskripte
HANNAH K BRÜNDL, geb. 1996 in Steyr, lebt in Wien. Sie ist Autorin von Lyrik, Theatertexten, Hörspielen und Prosaformen.
Ihre Arbeiten wurden in Anthologien wie dem Jahrbuch der Lyrik publiziert, zum Open Mike, Literarischen März und Berliner Hörspielfestival eingeladen, ihre szenische Texte waren beim Münchner Förderpreis, Hans-Gratzer-Stipendium, Retzhofer Dramapreis und Nachwuchspreis des Theaters Drachengasse zu sehen.
Buchveröffentlichungen: Mother_s (Lyrikdebüt; roughbooks, 2023) und tender (Theaterstück; Wiener Wortstaetten, 2024).
Im Herbst 2025 erscheint bei Ritter ihr neuer Gedichtband schilfern.
Das Theaterstück tender wird am 13.03.2026 im Schauspielhaus Graz uraufgeführt.
In den manuskripten debütierte Hannah K Bründl in Ausgabe 235 (2021) mit einem Auszug aus dem Theaterstück Krimhild! Eine bessere Metapher als diese. Es handelte sich um den Auftakt einer seither bestehenden Kooperation mit der Sprachkunst Wien.
2024 publizierten die manuskripte einen Vorabdruck aus schilfern, der im Rahmen des steirischen herbst gelesen wurde.
Ebenso erschienen ihre mit dem Poesiepreis Ausseerland 2024 ausgezeichneten Gedichte in manuskripte 247 (2024).