04/08/2015
Was machen wir mit der Zeit, und was macht die Zeit mit uns?
Was macht unser Zeitgefühl mit dem, was wir erleben? – Und wie bestimmen Erlebnisse unser Zeitgefühl?
Wann spüren wir Zeit als Vergänglichkeit? Und wann ist sie ohne Bedeutung?
Solche Fragen philosophischer Natur, liebe Freunde von Bild und Wort, haben mich als –sozusagen– 'Privatgelehrte' während eines meiner Aufenthalte auf Kythira mehrere Monate beschäftigt.
Aber auch die objektiv messbare Zeit, also die Zeit der Uhren: die physikalische Zeit, faszinierte mich in ihrer historischen Entwicklung.
So bin ich auf den Mechanismus von Antikythira gestossen, diesem absolut einmaligen Fund, den man vor mehr als 100 Jahren gemacht hat.
Einmalig deshalb, weil es keine weiteren Zeugnisse davon gibt, dass schon vor 2000 Jahren die Zeit mit einem Mechanismus gemessen und Zahnräder hergestellt wurden, in einer Präzision und Feinheit, von der man geglaubt hat, sie sei erst 1500 Jahre später, in der Renaissance, überhaupt erfunden worden. Und man realisierte, dass zwischen der Antike und der Renaissance dieses Wissen dem Anschein nach in der westlichen Kultur verloren gegangen war.
Das Bild, das ich Ihnen im zweiten Mail gesendet habe, diesen verbacken Klotz, dem man zwar von aussen angesehen hat, dass er irgendeine Funktion gehabt haben muss, zeigt, wie sich der Fund 1903 dem Museumsdirektor des damaligen Nationalmuseums in Athen präsentiert hat.
Nach der Erfindung der Röntgenstrahlen und – noch später – der Computertomographie konnte man in diesen 'Bronzeblock' hineinsehen, und sich so immer besser erklären, wie dieser Mechanismus funktioniert haben muss, und was damit gemessen werden konnte. Denn es erschienen auf den Lichtbildern noch unzählige weitere Zahnräder, Stifte und Bolzen, von denen man nichts gewusst hatte.
Man stellte fest, dass diese erste 'Maschine' Sonnen- und Mondfinsternisse, Planetenbewegungen, Mondphasen, sowie die Beginne der verschiedenen panhellenischen Spiele gemessen hat.Ebenso konnte man in den letzten Jahren mit einem speziellen Photoverfahren die 'Gebrauchsanweisung' entziffern, die auf dem Mechanismus angebracht war.
Der Mechanismus hat immer wieder Techniker und Tüftler über Jahrzehnte mit seinen Geheimnissen gefesselt und beschäftigt.
Sie haben verschiedene Modelle von ihm nachgebaut:
Aber man hat nicht nur den Mechanismus aus dem Meer geborgen, sondern auch andere Schätze von unsagbarer Bedeutung.
Und diese werden wir im Antikenmuseum in Basel vom 27. September bis zum 27. März bestaunen können.
Zum Beispiel den bekannten 'Jüngling von Antikythira' (siehe Bild).
Dies ist also der Hintergrund meines Interesses an dieser Thematik. Und weshalb ich mein Gedicht in fünf Kapiteln über den Fund geschrieben habe, ja schreibe musste.
Im nächsten Mail schicke ich Ihnen eine Leseprobe davon.
Mit freundlichen Grüssen
Susanna Erlanger
Verlag an der Friedensgasse, Basel
www.verlag-an-der-friedensgasse.ch
crowdfunding-Projekt: Lyrik und Bild, handgebunden auf
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