22/12/2023
Rudolph und der kleine Tannenbaum
Rudolph stand im geräumigen Schuppen, wo auch der große Schlitten schon bereit stand, mit dem er und seine acht Gefährten am nächsten Tag wieder aufbrechen würden, um Kindern rund um den ganzen Erdball Geschenke zu bringen.
In aller Ruhe kontrollierte er die Geschirre und war zufrieden.
Er kratzte sich am Hals und freute sich insgeheim schon auf
die Reise. Sie war jedes Mal ein wunderbares Erlebnis .
Doch bevor er sich schlafen legen würde, beschloss er sich noch
kurz die Beine zu vertreten. So öffnete er die große Türe und trat
in die tiefverschneite Landschaft. Die Sterne funkelten am
tiefblauen, ja fast schwarzen, Nachthimmel um die Wette.
Eine schon fast festliche Stimmung stieg in ihm auf.
Langsam lief er den Weg Richtung Wald entlang bis er von irgendwo her ein leises Schluchzen vernahm. Was war das ? Es würde sich doch hoffentlich in dieser wunderbaren Nacht nichts Schlimmes ereignet haben.
Er kam zu der Lichtung wo vor kurzem noch die Tannen gestanden
hatten, die nun alle bald als festlich geschmückte Weihnachtsbäume in den Häusern der Menschen stehen würden. Nur ganz am Rande dieser Lichtung stand ganz alleine eine kleine Tanne mit einer verkrüppelten Krone, die man hatte stehen lassen. Und von dort nahm er dann auch wieder die traurigen, wimmernden Laute wahr.
Vorsichtig trat er zu dem kleinen Baum, dessen oberer Zweigkranz
sich nicht kerzengerade , sondern mehrfach verwunden, entwickelt hatte.
„Was hast Du denn, mein Freund ?“, fragte Rudolph.
„Ich wäre so gerne auch ein Christbaum geworden, wie alle meine
Freunde. Nun sind sie alle fort und erfreuen die Menschen in den Stuben und Häusern.“, antwortete das Tännchen.
„Ich verstehe.“, erwiderte Rudolph.
Bevor er weiterreden konnte, fügte der kleine Baum hinzu:
„Aber sie haben mich hier gelassen, weil ich nicht schön genug bin.“
Kurz dachte Rudolph nach. Es begann leicht zu schneien.
„Du bist noch hier, weil Du etwas ganz besonderes bist. Die anderen
Tannen, die nun Christbäume sind, werden bestimmt tolle Tage erleben und die Menschen erfreuen, aber danach ist ihr Leben vorbei. Weißt Du das ?“
„Ja, das wusste ich, und ich hatte auch etwas Angst, als die Menschen mit den Äxten und Sägen kamen, aber es soll doch so sein, oder ?“
Wieder hielt Rudolph kurz inne. „Schau mich an, sieh Dir meine rote
Nase an. Ich hatte auch das Ziel einmal zu den Rentieren zu gehören, die den Weihnachtsschlitten ziehen. Ich gewann sogar das erste Schlittenrennen, aber dann schloß man mich aus, weil ich anders war als die anderen Rentiere.
Aber das Schicksal wollte es so, dass meine Besonderheit die Lösung für ein großes Problem mit dem Schlitten im dichten Nebel sein würde. Und so wurde ich doch ein Teammitglied des großen Schlittens.“
Leise seufzend bewegten sich die grünen Zweige.
„Warte kurz, ich werde gleich wieder zurück sein.“, sagte das Rentier und trabte zügig in Richtung des Weihnachtsdorfes.
Schnell packte Rudolph verschiedene farbige Kugeln und kleine Laternen mit leuchtenden Kristallen, die die Elfen gefertigt hatten, in einen großen Sack und legte sich diesen auf seinen Rücken.
In Windeseile kehrte Rudolph wieder zu seinem Nadeln tragenden Freund zurück. Er kleidete ihn mit all dem leuchtenden, funkelnden Schmuck, so dass die bunten Lichter die Schneelandschaft um die kleine Tanne herum in ein festliches Licht tauchten. Die Schneeflocken legten sich auf die nun schimmernden Zweige.
„Nun wirst Du unser Christbaum sein, der in jedem Jahr für uns scheinen soll. Und so soll es für Immer sein.“, sagte Rudolph mit seiner sanften Stimme.
Der nun wunderschöne und sprachlose Christbaum reckte stolz seine Zweige und strahlte in seiner ganzen Pracht.
„Ja, das werde ich sein !“ , sagte er glücklich zu Rudolph und wackelte froh mit seinen Zweigen.
Zum Abschied legte Rudolph noch Eicheln und Nüsse unter die Tanne, damit auch die Tiere des Waldes ein paar kleine Geschenke hatten und ging langsam zum großen Schuppen zurück.
Kurz davor drehte er sich noch einmal um und sagte leise zu sich:
„Ja, das wirst Du ! Frohe Weihnachten mein Freund und Euch allen dort draußen auf dem weiten Erdenrund.“
© Text & Zeichnung Arndt Weber