08/10/2025
Spielzeug am Himmel – Die große Drohnenillusion
Es war doch nicht Putin!
Von Andreas Manousos
Das Tote Meer? Putin hat’s getötet – mit nacktem Oberkörper auf einem Bären reitend, bewaffnet nur mit einem Messer. Sein Pass? Natürlich auf dem Grund gefunden. So ungefähr klingen sie, die modernen Märchen aus deutschen Redaktionsstuben, in denen jede Wolke zur russischen Invasion und jedes Blinken am Himmel zur „hybriden Bedrohung“ erklärt wird.
Was sich hier zeigt, ist kein Journalismus mehr, sondern eine werteverwahrloste Selbstvermarktung, ein Gewerbe, das sich für Klicks, Quoten und politische Nähe prostituiert – und das sich in Teilen auf Gossenniveau herabgewirtschaftet hat. Ein Milieu, das einst Wahrheit suchte und sich heute an Emotionen verkauft. Die vierte Gewalt wirkt müde, abhängig, moralisch überhitzt und faktisch unterkühlt. Haltung zählt mehr als Beleg, Empörung mehr als Analyse – und die Lautstärke ersetzt die Substanz.
Egal, was passiert – Putin war’s. Hauptsache, die Schlagzeile sitzt. Das Publikum wird schon glauben, was man ihm diktiert.
Seit 2023 melden Sicherheitsbehörden in Deutschland angebliche Drohnen über Flughäfen, Kraftwerken und Hafenanlagen. Die Reaktion ist jedes Mal dieselbe: Alarm, Spekulation, das große Wort „Russland“ fällt schneller als ein Faktencheck. Doch die nüchterne Bilanz nach zwei Jahren zeigt: Es war nichts.
Alle dokumentierten Flugobjekte waren kleine, zivile Multikopter, leicht, handelsüblich, mit realer Reichweite von ein bis zwei Kilometern und einer Flugzeit unter 30 Minuten. Keines davon war bewaffnet, keines militärisch, keines aus Russland. Technisch gesehen handelte es sich um Freizeitgeräte, wie sie jeder in Elektronikmärkten kaufen kann.
Die Ermittlungsakten zeigen: In Bayern, Brandenburg und Hessen wurden einzelne Privatpiloten befragt, meist Videofilmer oder Hobbyfotografen. Bußgelder ja – Spionage nein. Russische Staatsbürger: keine.
Von allen mehr als 30 gemeldeten Sichtungen blieben nach behördlicher Prüfung weniger als fünf Prozent überhaupt als Drohnenfälle bestehen. In keinem einzigen Fall konnte ein russischer oder ausländischer Ursprung nachgewiesen werden. Und das in einem Land, in dem fast jeder Erwachsene ein Smartphone besitzt und jede zweite Person sogar zwei Geräte mit sich führt. Wäre der Himmel wirklich voll mit Drohnen, gäbe es unzählige Videos. Doch die Bilddokumente fehlen – fast vollständig.
Das spricht eine deutliche Sprache: Entweder waren die Objekte gar keine Drohnen – oder es handelte sich um unkoordinierte, zivile Flüge von Einheimischen, die mit der geopolitischen Hysterie nichts zu tun hatten.
Die einzigen, die tatsächlich Flughäfen kompromittierten, waren deutsche Aktivisten. Sie schnitten Zäune auf, drangen auf Rollfelder vor und klebten sich fest. Berlin-Brandenburg 2022, München 2022, Frankfurt 2023, Hamburg 2023 – alle Fälle belegt, alle Täter identifiziert, alle aus dem Inland. Kein einziger russischer Agent, kein ausländischer Saboteur. Die Gefahr kam also nicht vom Himmel, sondern aus der Mitte der Gesellschaft.
Auch jenseits der deutschen Grenzen lösten angebliche „russische Drohnen“ Schlagzeilen aus, die später in sich zusammenfielen. In Litauen entpuppten sich die Fluggeräte als Teil eines Zigarettenschmuggler-Netzwerks. In Norwegen und am Warschauer Präsidentenpalast waren es Hobbydrohnenpiloten. Und in Frankreich wurde ein angeblicher „russischer Drohnentanker“ in internationalen Gewässern aufgebracht – Ergebnis der Untersuchung: keine Drohnen, keine Russen, sondern ein chinesischer Frachter, der nach Freigabe weiterfuhr. Überall dasselbe Muster: mediale Eskalation, politische Schuldzuweisung, und später das leise Eingeständnis eines Irrtums.
Der eigentliche Skandal liegt nicht in den Falschmeldungen, sondern in ihrer Reproduzierbarkeit. Ein unbestätigter Funkhinweis reicht, um eine internationale Schlagzeile zu produzieren. Der Mechanismus ist immer gleich: ein unklarer Vorfall, sofortige Schuldzuweisung Richtung Osten, Wochen später keine Beweise, keine Aufklärung, keine Richtigstellung. So entsteht eine kollektive Suggestion – ein Klima permanenter Bedrohung, das politisch nützlich, aber journalistisch fatal ist.
Panik hat in der Bundesrepublik einen Marktwert. Sie verkauft Werbeplätze, rechtfertigt Überwachung, sichert Budgets und Karrieren. Sicherheitsindustrie: Jeder Alarm schafft neue Aufträge für Anti-Drohnen-Systeme. Politik: Ein unsichtbarer Feind stärkt Kontrolle und Ablenkung. Medien: Angst klickt – Fakten langweilen. Diese Interessengemeinschaft zwischen Macht, Markt und Meinung erzeugt einen Dauerzustand: Man ruft Gefahr, um Aufmerksamkeit zu behalten.
Die einzige Konstante: Alle gefassten Personen waren Einheimische. Keine Agenten, keine fremden Mächte, keine Geheimoperationen. Der Feind, den man suchte, war ein deutscher Drohnenpilot mit Kamera oder ein Aktivist mit Bolzenschneider. Doch die Presse, getrieben von Ideologie und Bequemlichkeit, hat daraus eine geopolitische Fabel gemacht – ein modernes Märchen vom bösen Russen, das sich besser verkauft als jede nüchterne Statistik.
Die Wahrheit ist ernüchternd: Keine russische Invasion, keine Kampfdrohnen, kein Spionagenetz. Nur Hysterie, Versäumnisse und ein Medienapparat, der seine Glaubwürdigkeit verspielt.
Es waren keine Drohnen aus Russland – es waren Reflexe aus Deutschland. Die Drohnen waren klein. Die Täuschung war gigantisch.