
19/08/2025
Das Rätsel von Lahore – Der Serienmörder Javed Iqbal
Lahore, Ende der 1990er-Jahre. Eine Stadt voller Leben, Lärm und Chaos. Doch hinter den Mauern eines unscheinbaren Hauses im Stadtteil Shadbagh verbarg sich ein Grauen, das Pakistan in seinen Grundfesten erschütterte. Über 100 Jungen – verschwunden, spurlos ausgelöscht. Nur ein Name blieb: Javed Iqbal.
Ein Muster des Verschwindens
Straßenkinder, Waisen, kleine Arbeiter – Jungen zwischen 6 und 16 Jahren. Sie gingen morgens in die Schule, zum Arbeiten oder einfach zum Spielen in den Park. Doch viele von ihnen kehrten nicht zurück. Ejaz, genannt Kaka, lockte ein fremder Junge mit dem Versprechen schnellen Geldes in ein Haus. Faisal, 9 Jahre alt, verließ seine Familie, um Kartons in einer Werkstatt zu falten. Shakeel, 13, kam von der Schule nicht heim. Und immer wieder dieselbe Frage verzweifelter Eltern: „Wo ist mein Kind?“
Das unheimliche Geständnis
Im Dezember 1999 tauchte plötzlich ein Brief in der Redaktion einer Zeitung und bei der Polizei auf. Absender: Javed Iqbal. Darin bekannte er sich zu einer Tat, die unvorstellbar war – er habe 100 Jungen missbraucht, erdrosselt, zerstückelt und ihre Überreste in Säure aufgelöst. Er fügte sogar die Adresse seines Hauses hinzu, als wolle er die Polizei zwingen, dem Grauen ins Auge zu blicken.
Als die Beamten das Gebäude betraten, fanden sie eine Szenerie, die selbst erfahrene Ermittler sprachlos machte: Blutspuren an den Wänden, Ketten zum Strangulieren, hunderte Fotos – sorgfältig in Tüten verpackt, mit Namen und Alter beschriftet. In zwei großen Säurefässern schwammen halb aufgelöste Leichenteile. Iqbal hatte sie bewusst zurückgelassen – als eine Botschaft an die Welt.
Jagd auf einen Schatten
In seinem Brief schrieb Iqbal, er wolle sich in den Ravi-Fluss stürzen. Doch er blieb unauffindbar. Pakistan erlebte die größte Fahndung seiner Geschichte. Gerüchte machten die Runde: War er längst tot? Hatte er Helfer? Oder war er Teil eines viel größeren Netzes? Bald verhaftete man vier seiner jugendlichen Mitbewohner – einer von ihnen starb mysteriös in Polizeigewahrsam.
Dann, Wochen später, die Wendung: Iqbal tauchte plötzlich in der Redaktion einer großen Tageszeitung auf und stellte sich freiwillig. Er behauptete, er habe mehr Angst vor der Polizei als vor dem Tod.
Prozess und Urteil
Vor Gericht schilderte er kaltblütig seine Taten. In Tagebüchern hatte er jeden Mord festgehalten, bis zum letzten Opfer: „Mit Gottes Gnade ist meine Mission erfüllt.“
Das Urteil war so ungewöhnlich wie grausam: „Du wirst erdrosselt – vor den Augen der Eltern. Dann wird dein Körper in 100 Stücke geschnitten und in Säure aufgelöst – so wie du es mit den Kindern getan hast.“ Doch Menschenrechtsabkommen verhinderten diese Form der Strafe.
Das plötzliche Ende
Am 9. Oktober 2001 fand man Javed Iqbal und seinen Komplizen tot in ihren Zellen. Offizielle Version: Selbstmord mit Bettlaken. Doch die Autopsien zeigten Spuren schwerer Misshandlungen. Wurden sie wirklich von eigener Hand getötet – oder war es eine stille Rache im Innern der Gefängnismauern?
Offene Fragen
Bis heute bleibt das Rätsel bestehen:
War Javed Iqbal ein isolierter Täter, getrieben von Hass und Rachegefühlen?
Oder war er Teil eines dunklen Netzwerks, dessen Spuren nie aufgedeckt wurden?
Und wer beendete schließlich sein Leben? Er selbst – oder andere?
Die Akten sind geschlossen, doch die Fragen bleiben. Und über allem hallt bis heute der Schrei der Mütter: „Wo ist mein Kind?“