
12/10/2025
Als Historiker des Holocaust und Zweiten Weltkriegs hat Omer Bartov untersucht, unter welchen sozialen und psychologischen Voraussetzungen Gesellschaften zum Genozid fähig sind. Seit 2024 schrieb er gegen den israelischen Vernichtungsfeldzug in Gaza an.
Dass er und andere Experten bei Israel und seinen Verbündeten nicht durchdringen konnten, hat mit Mustern der Genozidleugnung zu tun, die weit in die Geschichte zurückreichen — auch in die deutsche.
«In den 1980er Jahren befasste ich mich mit der letzten großen Leugnung der Nachkriegszeit in Deutschland, dem Mythos der sauberen Wehrmacht. Nachdem sie sich über Jahrzehnte als Hitlers größte Opfer gesehen hatten, begannen die Deutschen allmählich, ihre Verantwortung für den Holocaust anzunehmen.
Aber sie glaubten noch immer, dass gewöhnliche deutsche Soldaten in Osteuropa, anders als die Gestapo oder SS, einen vielleicht nicht notwendigen oder gerechten, aber doch anständigen Krieg gegen die Rote Armee gekämpft hatten, der Europa vor einem ‹bolschewistisch-asiatischen Ansturm› hatte schützen sollen.
(…)
Genau wie für die Nachkriegsdeutschen scheint es für den durchschnittlichen Israeli unmöglich anzuerkennen, dass die IDF in Gaza einem verbrecherischen, genozidalen Krieg geführt hat. Die über Generationen gewachsenen persönlichen und familiären Verbindungen zur Armee sind so stark, dass es Zeit brauchen wird, ja eigentlich einen echten Prozess der Wiedergutmachung, Wahrheit und Versöhnung mit den Palästinensern, damit die Israelis wie einst die Deutschen mehr als vier Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg anerkennen, dass ihre Armee eine Vernichtungsoperation durchgeführt hat.»
Lest Omer Bartovs Essay über Genozidleugnung, übersetzt von , jetzt Online als erstes Prequel auf unsere No 15.
Heute (Sonntag) Abend spricht Omer Bartov im mit Tobias Haberkorn über seinen Text, sein politisches Engagement gegen Genozid in Gaza und wie sich seine Arbeit als Historiker in den vergangenen Jahren verändert hat.
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