13/10/2025
„Lieber schweigen als riskieren, sich strafbar zu machen“
Pressefreiheit in Gefahr – Viktor Orbáns Angriffe auf unabhängige Medien in Ungarn
Im Rahmen eines Clubabends im Frankfurter PresseClub e.V. fand am 17. September 2025 eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zum Thema „Pressefreiheit in Gefahr – Viktor Orbáns Angriffe auf unabhängige Medien in Ungarn“ statt. Unter der Moderation von Vorstandsmitglied Karsten Frerichs diskutierten die renommierte freie Wissenschaftsjournalistin Dr. Petra Thorbrietz und Prof. Dr. Gábor Polyák, Leiter des Instituts für Medien und Kommunikation der Eötvös-Loránd-Universität Budapest, die die systematischen Angriffe auf die Pressefreiheit, die politischen Strukturen Ungarns und die Rolle der EU.
Sehr empathisch schilderte Petra Thorbrietz, warum ihr Buch „Wir werden Europa erobern! Ungarn, Viktor Orbán und die unterwanderte Demokratie“ nicht nur die politischen Brüche, sondern auch ihre Faszination für das osteuropäische Land widerspiegelt: „Das Buch ist in Teilen eine Liebeserklärung, weil es die Komplexität, die Leidenschaft und die Hoffnung in einem Land zeigt, das von politischer Konfrontation geprägt ist.“ Ihr Buch handele primär von Ungarn, aber „es geht um Europa“.
Gábor Polyák führte aus, dass die Bedrohung der Pressefreiheit eng mit der gezielten Transformation von Strukturen zusammenhänge: „In der ersten Phase wurde der öffentlich-rechtliche Rundfunk de facto in einen Staatsrundfunk umgebaut.“ Heute bestehe die Medienbehörde ausschließlich aus Fidesz-nominierten Mitgliedern. Das 2023 eingerichtete „Amt zur Verteidigung der Souveränität“ stehe nicht nur neben der ungarischen Justiz, so Thorbrietz, sondern sei ein eklatanter Verstoß gegen EU-Recht. Alles zusammen habe zu der Entwicklung geführt, dass Skandale in Ungarn nicht von der Opposition, sondern zunehmend von unabhängigen Internetsendern wie Partizán-TV aufgedeckt würden, da sie die eigentliche „Wühlmausarbeit“ machen.
Das Klima für Journalisten in Ungarn ist aktuell von großer Unsicherheit geprägt. Gesetze wie das Transparenzgesetz sind so vage formuliert, dass Journalisten und Journalistinnen lieber schweigen als riskieren, sich strafbar zu machen. Pluralismus bedeutet eigentlich, Kritik ist erwünscht, weil sie uns Alternativen aufzeigt. Doch „Orbán hasst alle Arten von Kritik“, so Polyák, alles, was als Kritik verfasst ist, werde von ihm und Fidesz als Angriff betrachtet.
Das 2024 von der EU verabschiedete Medienfreiheitsgesetz (EMFA) mache zwar Hoffnung – doch seine Wirkung bleibe unklar. Hoffnung mache allerdings auch, dass das, was Viktor Orbán unbedingt verhindern wollte, Budapest in diesem Sommer hautnah erlebt habe: die größte Demonstration der Geschichte des Landes – ausgelöst durch das Verbot einer Pride-Parade. „Ich glaube nicht, dass Orbán noch eine solche Demonstration auf den Straßen sehen will“, fasste Polyák die Podiumsdiskussion zusammen.
Der Clubabend auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=uKtKc26sUtM