Hanauer Bote

Hanauer Bote Das wöchentliche Mitteilungsblatt für die Stadt Hanau Auch über konstruktive Kritik zu unserer Arbeit freuen wir uns. Ihre Beiträge entfernen wir zeitnah.

Seit 1992 informiert der Hanauer Bote jeden Mittwoch kostenlos über das Geschehen in der Brüder-Grimm-Stadt. Mit einer Auflage von rund 39.000 Exemplaren erreicht der Bote flächendeckend alle Haushalte in Hanau. „Zeitung für alle“ ist seit jeher das Credo des Boten, seit die erste Ausgabe Anfang der 70er Jahre erschien. Ursprünglich ein Medium für öffentliche Bekanntmachungen und Mitteilungen der

Gemeinden, entwickelte sich der Bote schnell zur geschätzten Plattform für regionale Vereine, um über ihre Arbeit und ihre Veranstaltungen zu berichten. Inzwischen erscheint die Gesamtausgabe, der Mittelhessen-Bote, in einer Auflage von mehr als 325.000 Exemplaren. Ohne das eigentliche Konzept, Partner der Vereine zu sein, verlassen zu haben, berichtet der Hanauer Bote inzwischen selbst aktiv über Ereignisse aus der Region: Spannende Reportagen, das Leben in den Vereinen, aber auch kritische Töne zum politischen Geschehen gehören inzwischen zum inhaltlichen Erscheinungsbild des Hanauer Boten - einmal die Woche kostenfrei in jedem Haushalt. Spielregeln:
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Dornröschen Satte 100 Jahre soll Dornröschen geschlafen haben, wie wir von den Brüdern Grimm wissen. So lange hat deren ...
13/09/2025

Dornröschen

Satte 100 Jahre soll Dornröschen geschlafen haben, wie wir von den Brüdern Grimm wissen. So lange hat deren Geburtsstadt Hanau nicht geruht, als sie nach dem rasanten Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Stadt in einen selbstgefälligen Tiefschlaf gefallen war. Ewige Diskussionen um Stadthalle und Freiheitsplatz und um sinkende Kundenfrequenzen in der City beherrschten noch in den 90er Jahren das Bild von der einstmals so prächtigen Residenz. An diesem Wochenende wird mit dem zehnjährigen Jubiläum des Forums die radikale Veränderung der Stadt seit diesem Stillstand gefeiert. Eine Veränderung, die nicht erst 2008 mit dem „Wettbewerblichen Dialog“ und der Innenstadt-Umgestaltung begonnen hat. Eine Veränderung, die mittlerweile weit über die Grenzen der City hinausreicht und noch nicht beendet ist, vielleicht nie beendet sein wird.
Den Startschuss für das Wachküssen des schlafenden Hanau hat bereits die anfangs viel belächelte Landesgartenschau 2002 gegeben. Statt der von Kritikern erwarteten reinen „Blümchenschau“ war dies ein Booster, der Hanau nach vorn katapultiert hat. Der in diesem Zusammenhang angestoßene Bau des Congress Parks beendete die jahrzehntelange fruchtlose Diskussion um die Stadthalle. Mit der Umgestaltung der Francois-Kaserne wurde die Blaupause für die künftige Konversion der US-Army-Anlagen geliefert. Und die Umnutzung der Hessen-Homburg-Kaserne machte den Weg frei für Änderungen in der Innenstadt.
Das, was Oberbürgermeisterin Margret Härtel begonnen hatte, wurde schließlich von ihrem Nachfolger Claus Kaminsky konsequent fortgesetzt und zu einem Infrastrukturprogramm ausgebaut, wie es die Stadt seit dem Wiederaufbau nicht gesehen hat. Das erstmals in Europa großflächig eingesetzte neue Instrument des „Wettbewerblichen Dialogs“ hat die Innenstadt auf völlig neue Füße gestellt. Rund 600 Millionen Euro sind dabei an öffentlichen und vor allem privaten Geldern in die City geflossen. Die Einmütigkeit der Stadtverordneten, der Mut von Rathaus und Großinvestoren, sowie kleinere Förderprogramme haben zudem dazu geführt, dass auch private Hausbesitzer in ihre Immobilien investiert haben.
Sicher ist die Eröffnung des Forums Hanau vor zehn Jahren ein wichtiger Meilenstein in dieser „Aufwachphase“. Immerhin wurde damit auch das jahrzehntelange ergebnislose Palaver um den Freiheitsplatz beendet. Aber die infrastrukturellen Maßnahmen zur Schaffung einer lebendigen Innenstadt sind noch nicht beendet, wenn man etwa an die Planungen im Bereich des Schlossplatzes denkt. Sicher ist auch nicht alles geglückt, sind alle Träume erfüllt worden. Das Fehlen eines Hotels etwa im Bereich des Congress Parks lässt das beeindruckende Ensemble zwar als Event-Location glänzen, macht es aber untauglich für mehrtägige Kongresse.
Ein wichtiger Impulsgeber für den Umbau war sicher die Stadt Maastricht, die sich von einer schmutzigen Industriestadt zu einer der lebendigsten und beliebtesten Städte der Niederlande gemausert hatte. Zwar sind deren Planer in Hanau am Ende nicht zum Zug gekommen, ihr Einfluss ist dennoch spürbar. Man erinnere sich nur an den ersten Entwurf des Wettbewerbssiegers HBB für das Forum, der einem eintönigen Kasten glich. Der zweite, und schließlich umgesetzte Entwurf orientierte sich hingegen an den holländischen Plänen und führte zur Öffnung und Lockerung des Komplexes.
Auch die in Maastricht erfolgreich realisierte Grundidee der Niederländer, das eine Innenstadt nicht nur Einkaufsstandort, sondern auch Erlebnisraum sein muss, ist in Hanau auf fruchtbaren Boden gefallen. Und diese Idee ist angesichts der heutigen Probleme des Einzelhandels und der Innenstädte aktueller denn je. Hanau hat das alles früher als andere Städte erkannt und ist deshalb vom bemitleideten Aschenputtel längst zur Prinzessin geworden, zu der Delegationen aus dem ganzen Land pilgern, um Erfolgsrezepte zu studieren. Nachweislich hat sich der Kundenstrom umgekehrt von „raus aus der Stadt“ in „hinein in die Stadt“. Vorkaufssatzung, HanauAUFLaden, Service-Angebote, Förderung der Gastronomie, das ganze kreative und umfangreiche Programm der Hanau Marketing Gesellschaft von Wochenendevents bis Abendgold und schließlich auch der Erwerb des Kaufhofs zeigen, dass die Stadt sich nicht dem Schicksal ergeben und wieder in einen Dornröschenschlaf verfallen will.
Alle Kritiker und Nörgler mögen sich fragen, wie Hanau wohl aussehen würde, hätte es das alles nicht gegeben. Da mag man sich nur Städte wie Bremen, Pforzheim und viele andere im Land anschauen. Natürlich braucht man bei allen Maßnahmen auch Mut zum Scheitern, wird man Fehler machen. Wer läuft kann stolpern, aber wer stehen bleibt, wird nie vorankommen.
Insofern kann man dem nunmehr putzmunteren Dornröschen Hanau nur zurufen: Bleib wach, schlaf nicht wieder ein, bleib lebendig!
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Zwischenrufer heißt unsere Kolumne, in der Dieter Schreier einen Blick auf das Hanauer Stadtgeschehen oder allgemeine Themen wirft. Der gelernte Journalist hat viele Jahre als Redaktionsleiter, Chefredakteur und Geschäftsführer bei Institutionen und Zeitungsverlagen in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Thüringen und Hessen gearbeitet und ist heute als Medienberater und in der Journalisten-Weiterbildung aktiv. In Hanau ist er seit mehr als 25 Jahren präsent.

Boomer Mag sein, dass Putins Krieg und Trumps Zölle unserem Land schaden. Mag sein, dass die Ampel-Regierung ihren Antei...
06/09/2025

Boomer

Mag sein, dass Putins Krieg und Trumps Zölle unserem Land schaden. Mag sein, dass die Ampel-Regierung ihren Anteil an der wirtschaftlichen Schieflage Deutschlands hat. Mag auch sein, dass radikale Hetzer an den politischen Rändern zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen und die Demokratie gefährden. Mag alles sein. Aber spätestens seit einigen Wochen wissen wir, wer wirklich Schuld ist am so oft beklagten Zustand des Landes, an mangelnder Sicherheit, am Klimawandel, der Inflation, den Schuldenbergen, der maroden Infrastruktur und vermutlich auch am miesen Fernsehprogramm: Es sind die Boomer! Jene Generation also, die etwa zwischen 1955 und 1965 geboren wurde, das ganze Elend verursacht hat und sich jetzt peu à peu verantwortungslos aus dem Staub Richtung Rente macht.
Jedenfalls kann man diese Erkenntnis gewinnen, wenn man sich die Äußerungen diverser Hirnakrobaten anhört, die entsprechend medialen Widerhall finden. Prominentester Befürworter der Alleinschuld-These war in den letzten Wochen Prof. Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, der auch gleich entsprechende Strafmaßnahmen für die Schuldigen vorschlug. Rentner und diejenigen, die sich jetzt massenweise in den Ruhestand verabschieden wie die Boomer, sollten einen Soli-Zuschlag in die Rentenkasse abdrücken. Quasi als Strafe dafür, dass sie einfach aufhören zu arbeiten, obwohl doch immer weniger Leute nachwachsen, die in die Rentenkasse einzahlen. Und als Pulsbeschleuniger bei der Elektro-Fahrrad-Generation hat er noch den Vorschlag nachgeschoben, dass auch die Rentner – und hier eben vor allem die Boomer – gefälligst ein soziales Jahr, gern auch in der Bundeswehr, ableisten sollen. Wenn schon über eine Wehr- und Dienstpflicht bei jungen Leuten nachgedacht wird, dann müsse man das erst recht bei den Alten tun, die ja irgendwie den ganzen Schlamassel verantwortet haben. Also: Mit dem Rollator an die Front, bitte schön!
Spätestens bei seinem Hinweis, dass die Boomer ja dank ihres Wehrdienstes einiges an Erfahrung in Sachen Verteidigung mitbringen, müsste selbst einer Blitzbirne wie Herrn Fratzscher auffallen, auf welch tönernen Füßen sein Vorschlag steht. Die Erfahrungen der Boomer beruhen nämlich darauf, dass sie im Gegensatz zu der jüngeren Generation bereits einen Wehr- oder Zivildienst abgeleistet haben. Und zwar nicht sechs oder zwölf Monate, wie heute diskutiert wird, sondern in den meisten Fällen zwei Jahre.
Vielleicht sollten Herr Fratzscher und Co. bei allen Schuldzuweisungen auch nicht vergessen, dass es vor allem die Generation der Boomer war, die dafür gesorgt hat, dass im Rhein wieder Fische leben können, dass die verfallenen Häuser im Osten wieder aufgebaut wurden, Deutschland toleranter und demokratischer geworden ist und dass die Staatskassen aufgrund des Fleißes dieser Generationen ständig mit noch mehr Steuergeldern gefüllt wurden.
Dennoch bekommt Herr Fratzscher Applaus, zum Beispiel von Klimaaktivistin Luisa Neubauer, mit der er kürzlich auf einer Veranstaltung in Berlin war und die ihn dabei geradezu angehimmelt und seine Vorschläge gelobt hat. Vielleicht sucht sie für sich und ihre schwindende Anhängerschaft wieder mal eine neue Bühne, nachdem Sicherheit und Wirtschaft das Klima von der Prioritätenliste verdrängt und radikale Aktionen wie die der Klimakleber das Thema diskreditiert haben. Nachdem sich die Fridays-Kiddies anderen Happenings zugewandt haben, das Aufsatteln auf die Anti-Rechts-Bewegung kaum gefruchtet hat und auch das Umhängen von Palästinenser-Tüchern nichts gebracht haben, soll es jetzt wohl die Anti-Boomer-Kampagne richten.
Dabei befördern diese Debatten, neben dem Heischen nach Aufmerksamkeit, vor allem eins: Eine weitere Spaltung der Gesellschaft, in dem ganze Generationen an den Pranger gestellt werden, was wiederum Wasser auf die Mühlen der Radikalen leitet. Zum Glück beschreiben diese Diskussionen nicht die Wirklichkeit.
Weder ist es richtig, dass sich alle Boomer einen faulen Lenz auf Mallorca machen, noch ist es richtig, dass alle Jugendlichen nicht mehr arbeiten wollen und nur noch von einer Karriere als Influencer in Dubai träumen. Die übergroße Mehrheit der Jungen und der Alten lebt verantwortungsvoll in dieser Gesellschaft. Die Jungen wissen, dass von Nichts nichts kommt und man deshalb lernen und arbeiten muss, wenn man etwas erreichen will. Und viele „Boomer“ leisten neben ihrer Arbeit oder auch als Rentner bereits einen ehrenamtlichen Beitrag für dieses Land, zum Beispiel als Verantwortliche in Sportvereinen, sozialen Organisationen, im Hospiz oder bei der Tafel, in der Kultur oder als Kommunalpolitiker. Sie alle, Junge und Alte, sind diejenigen, die diese Land am Laufen halten. Und die brauchen keine Belehrungen von hochdotierten Wirtschaftsweisen oder das Scheinwerferlicht suchenden Aktivisten.
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Zwischenrufer heißt unsere Kolumne, in der Dieter Schreier einen Blick auf das Hanauer Stadtgeschehen oder allgemeine Themen wirft. Der gelernte Journalist hat viele Jahre als Redaktionsleiter, Chefredakteur und Geschäftsführer bei Institutionen und Zeitungsverlagen in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Thüringen und Hessen gearbeitet und ist heute als Medienberater und in der Journalisten-Weiterbildung aktiv. In Hanau ist er seit mehr als 25 Jahren präsent.

VorbildIn der S-Bahn von Hanau zum Flughafen. An einem der Haltepunkte steigt ein Vater mit seiner kleinen Tochter ein u...
30/08/2025

Vorbild

In der S-Bahn von Hanau zum Flughafen. An einem der Haltepunkte steigt ein Vater mit seiner kleinen Tochter ein und setzt sich gegenüber. Das Mädchen mag fünf Jahre alt sein, ist nicht hibbelig aber offensichtlich hellwach. Die Augen fliegen hin und her, entdecken Bäume, Häuser und vieles mehr bei der offensichtlich spannenden Fahrt mit der Bahn. Der Vater hingegen hat, kaum dass er sitzt, das Smartphone gezückt und daddelt sich durch die Welt von Instagram, TikTok und Sonstigem. Auf eine Entdeckung des Kindes reagiert er gelangweilt, fast unwirsch. Die Kleine bleibt ruhig, kann aber kaum an sich halten, als plötzlich parallel ein ICE an der S-Bahn vorbeizieht. Aber sie hat gelernt, dass sie den Papa nicht stören darf bei seiner Daddelei. Und es besteht die Gefahr, dass sie früh fälschlicherweise lernt, dass die virtuelle Welt viel interessanter sei als die reale Welt da draußen. Ein schönes Vorbild, dieser Papa.
Warum diese tatsächlich passierte Geschichte, die man ähnlich überall beobachten kann – in Restaurants, in der Bahn, auf Spielplätzen? Weil derzeit viel über Handyverbote und die Regulierung von Social Media Plattformen in Bezug auf Kinder und Jugendliche diskutiert wird. Weil da heftig über die Wirksamkeit von Gesetzen und Verordnungen gestritten wird, die entscheidende Rolle der Eltern aber viel zu selten erwähnt wird. Wenn so manche Väter und Mütter kaum noch mit den Kindern kommunizieren und statt dessen gebannt die digitalen Kanäle durchforsten, dann ist ein Zustand erreicht, bei dem auch Verbote kaum etwas helfen.
Mittlerweile ist das zu einem handfesten Problem geworden, bei dem es nicht mehr nur um Gleichgültigkeit gegenüber dem Nachwuchs geht, sondern um konkrete Verletzung der Aufsichtspflicht. Kürzlich konnte man in einem Bericht der ARD erfahren, dass eine Mutter des Freibades verwiesen wurde, weil sie nur gedaddelt und ihre Kinder trotz Aufforderung der Schwimmmeister im Wasser sich selbst überlassen hat. Im gleichen Bericht beklagten sich Aufsichtskräfte an spanischen Stränden, dass immer mehr Eltern ihre Kleinkinder ins Wasser schicken und sich dann mit dem Handy beschäftigen, anstatt auf den Nachwuchs aufzupassen.
Die negativen Folgen bei Kindern und Jugendlichen durch ungebremsten Handykonsum und des stundenlanges Gaming am Laptop sind inzwischen eindeutig belegt und unstrittig. Insofern ist es richtig, dass nun in Hessen ein Handyverbot an Schulen gilt – so, wie es Hanaus Bürgermeister Max Bieri schon vor längerem gefordert hat. Wenigstens in der Schule sollte den Kindern eine Auszeit von all dem Schrott gewährt werden, der da digital verbreitet wird. Auch über die Forderungen diverser Politiker, jüngst des Suchtbeauftragten der Bundesregierung, Prof. Dr. Streeck, nach einer Altersbegrenzung sollte ernsthaft diskutiert werden.
Allerdings werden diese Maßnahmen konterkariert, wenn zu Hause das Daddeln fröhliche Urstände feiert, wenn Eltern das Reden durchs Clicken ersetzen. Und wenn es sie nicht interessiert, was ihre Kinder da im digitalen Raum treiben und mit welchem Mist sie dort konfrontiert werden. Diese Entwicklung ist umso unverständlicher, da andererseits über Helikopter-Eltern geklagt wird, die ihre Sprösslinge am liebsten mit dem SUV bis ins Klassenzimmer fahren würden, andererseits im digitalen Raum aber keine Geschwindigkeitsbegrenzung und kein Halteverbot kennen.
Sicher, es lässt sich klug reden wenn man nicht in der Verantwortung steht. Kinder vom unmäßigen Daddeln abzuhalten, ist mehr als schwierig. Was hilft etwa ein Handy-Verbot, wenn der Nachwuchs seine digitale Dröhnung bei Freunden abholen kann? Was helfen all die Debatten, wenn die Tech-Giganten – über deren Charakter man sich spätestens seit der Amtseinführung von Donald Trump keine Illusionen mehr machen muss – jede Verantwortung für die Inhalte auf ihren Plattformen ablehnen und das Verbreiten von Schmutz und Dreck als Meinungsfreiheit deklarieren?
Vielleicht können Eltern aber die negativen Einflüsse etwas begrenzen. Indem sie selbst verantwortungsbewusst das Smartphone nutzen und mit gutem Beispiel vorangehen. Da gilt der Satz des alten Pestalozzi, nachdem es für die Erziehung eines Kindes nur zwei Dinge braucht – Liebe und Vorbild.

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Zwischenrufer heißt unsere Kolumne, in der Dieter Schreier einen Blick auf das Hanauer Stadtgeschehen oder allgemeine Themen wirft. Der gelernte Journalist hat viele Jahre als Redaktionsleiter, Chefredakteur und Geschäftsführer bei Institutionen und Zeitungsverlagen in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Thüringen und Hessen gearbeitet und ist heute als Medienberater und in der Journalisten-Weiterbildung aktiv. In Hanau ist er seit mehr als 25 Jahren präsent.

Vergessen60 Jahre sind eigentlich kein richtiges Jubiläum. 60 Jahre sind auch kein Grund zum Feiern, schon gar nicht, we...
23/08/2025

Vergessen

60 Jahre sind eigentlich kein richtiges Jubiläum. 60 Jahre sind auch kein Grund zum Feiern, schon gar nicht, wenn es um eine ernste Angelegenheit geht. Aber sie können ein Anlass zum Erinnern, zum Gedenken sein. Ein Akt gegen das Vergessen des Gestern, um gegen Gefahren von Heute und Morgen gewappnet zu sein. So wie die Erinnerung an den ersten Frankfurter Ausschwitz-Prozess, der in diesen Tagen vor 60 Jahren mit der Urteilsverkündung zu Ende ging. Ein historischer Prozess, der einen wichtigen Teil dazu beitrug, dass Deutschland seinen Weg zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fand. Und ein Prozess, an den gerade in diesen Zeiten erinnert werden sollte.
Erstmals wurde in diesem Prozess die Systematik eines Vernichtungslagers juristisch aufgearbeitet, wurde das ganze Grauen des Systems einer breiten Öffentlichkeit verdeutlicht, wurden nach Jahren des Verdrängens und Vergessens die Opfer öffentlich gehört und die Täter an den Pranger gestellt. Was die Nürnberger Prozesse, in denen vor allem Machthaber und Hauptverantwortliche angeklagt wurden, nicht geschafft haben, schaffte dieser Prozess: Deutlich zu machen, wie auch „ganz einfache“ Leute in das System verstrickt waren und wie vor allem die „kleinen Rädchen“ die Mordmaschine am Laufen hielten.
Untrennbar verbunden mit diesem bis dato größten Strafprozess der Bundesrepublik ist der Name des damaligen Frankfurter Generalstaatsanwalts Fritz Bauer. Der Jurist, als Jude und Sozialdemokrat von den N***s verfolgt und der Vernichtung nur durch das Exil entgangen, hatte das Strafverfahren gegen viele Widerstände durchgesetzt. Unterstützt von jungen Staatsanwälten, die keine braunen Flecken auf ihrer Vita hatten und mit Rückendeckung durch den legendären hessischen SPD-Ministerpräsidenten Georg-August Zinn, trieb er die Ermittlungen gegen die Täter von Auschwitz voran. Und das gegen einen bundesdeutschen Justizapparat, der von ehemaligen N***s durchsetzt war. Argwöhnisch beäugt und behindert von einer Bundesregierung, in der ein Alt-N**i wie Kanzleramtsminister Globke das Sagen hatte. Bespitzelt vom Bundesnachrichtendienst, den ein NS-Mann wie Reinhard Gehlen mit vielen Gesinnungsgenossen aufgebaut hatte. Selbst in ständiger Gefahr, wegen seiner Homosexualität denunziert und als Straftäter aufgrund der damaligen irren Gesetze verurteilt zu werden, ließ sich Bauer auch nicht durch Brief- und Telefonterror und zahlreiche Morddrohungen von seinem Ziel abbringen. Insofern bleibt er ein leuchtendes Beispiel für einen furchtlosen Juristen, als Gegenentwurf zu den vielen furchtbaren Juristen der N**i-Zeit, an deren Spitze ein Mörder in Richterrobe wie Roland Freisler stand.
Diesen Mut und sein großes juristisches Können hatte Bauer schon zehn Jahre zuvor als Generalstaatsanwalt in Braunschweig bewiesen. In einem Prozess gegen den unbelehrbaren N**i Otto Ernst Remer, der wesentlich an der Niederschlagung des Aufstands vom 20. Juli 1944 beteiligt war, wurde erstmals juristisch festgestellt, dass Stauffenberg und seine Mitstreiter eben keine Landesverräter waren, womit Bauer die öffentliche Meinung in Deutschland wesentlich veränderte.
Sicher mögen Bauer und seine Kollegen am Ende des Prozesses enttäuscht gewesen sein von den vergleichsweise milden Urteilen gegen Wachleute, Sanitäter, Lagerärzte und Funktionsträger. Dessen wirkliche Bedeutung liegt aber darin, dass er eine breite Öffentlichkeit mit dem Grauen konfrontierte, interessierte und den Beginn der Aufarbeitung der dunkelsten Geschichte Deutschlands darstellte. Bauer ging es genau um diese Öffentlichkeit. Nicht um Schuldgefühle zu erzeugen, sondern um vor allem die junge Generation, die während des fast zwei Jahre dauernden Prozesses in großer Zahl in Form von Schulklassen und Studentengruppen im Zuschauerraum saß, gegen Gefahren eines diktatorischen Regimes zu wappnen.
Und das scheint heute so wichtig wie damals. Das gilt für echte rechtsradikale Tendenzen ebenso, wie den leichtfertigen Gebrauch des N**i-Vorwurfs. Wer N**i ist, soll auch N**i genannt werden. Wer Gedanken oder Meinungen rechts von der Mitte pauschal mit der N**i-Keule begegnet, zeigt hingegen mangelndes Geschichtswissen, Faulheit bei der Suche nach Gegenargumenten, verharmlost den N**i-Terror und verhöhnt dessen Opfer.
Das Erinnern an Ereignisse wie den Ausschwitz-Prozess kann Klarheit in oftmals überhitzten Debatten schaffen und wirkt gegen das Vergessen. Denn wenn wir vergessen, können wir uns auch selbst vergessen, unserer Demokratie, unsere Freiheit. Oder um es mit Fritz Bauer zu sagen: „Nichts gehört der Vergangenheit an. Alles ist noch Gegenwart und kann wieder Zukunft werden“.
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Zwischenrufer heißt unsere Kolumne, in der Dieter Schreier einen Blick auf das Hanauer Stadtgeschehen oder allgemeine Themen wirft. Der gelernte Journalist hat viele Jahre als Redaktionsleiter, Chefredakteur und Geschäftsführer bei Institutionen und Zeitungsverlagen in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Thüringen und Hessen gearbeitet und ist heute als Medienberater und in der Journalisten-Weiterbildung aktiv. In Hanau ist er seit mehr als 25 Jahren präsent.

KomparsenNein, eine wichtige Rolle spielen sie nicht. Eher sind sie schmückendes Beiwerk. Mitreden oder gar mitentscheid...
16/08/2025

Komparsen

Nein, eine wichtige Rolle spielen sie nicht. Eher sind sie schmückendes Beiwerk. Mitreden oder gar mitentscheiden dürfen Komparsen in einem Film nicht. Sie sind Statisten, für das Geschehen kaum wichtiger als die Farbe der Blumenvase auf dem Tisch oder die Form des Kleiderständers in der Ecke. Komparsen gibt es aber nicht nur im Film, auch in der Politik. Ganze Staaten, ja sogar Staatengemeinschaften können zu Randfiguren werden oder sich selbst dazu machen.
Das beste Beispiel dafür ist in unseren Tagen die Europäische Union. Eine Handels- und Wirtschaftsmacht mit rund 450 Millionen Einwohnern, die dennoch in der Weltpolitik immer weniger eine Rolle spielt. Bestes Beispiel sind die Ukraine-Verhandlungen in Alaska, wo es nicht mal für einen Katzentisch gereicht hat. Die großen Buben bleiben lieber unter sich, zumal sowohl Putin als auch Trump in der EU einen gemeinsamen Feind sehen. Laut Putin ist sie der Untergang des Abendlandes, laut Trump nur gegründet, um die USA auszunehmen.
Auch im Nahen Osten spielt die EU keine wesentliche Rolle. Da kommt man über Symbolpolitik kaum hinaus. Die ständige Propagierung der Zwei-Staaten-Lösung führt nicht weiter, zumal niemand weiß, wie denn ein Palästinenserstaat verfasst werden soll und mit wem man darüber eigentlich verhandeln will, wenn alle Beteiligten diese Lösung ablehnen. Selbst der von Merz verkündete Stopp deutscher Rüstungsexporte an Israel dient allenfalls der Beruhigung des Koalitionspartners statt dem Frieden in Gaza. Offenbar verkennt man, dass wir in Sachen Rüstung – zum Beispiel Luftabwehr – und bei der Terrorbekämpfung ungleich stärker auf Israel angewiesen sind als sie auf uns. Und vor allem wird in der deutschen und der europäischen Diskussion oft vergessen, dass es in der bunten politischen Landschaft des Nahen Ostens eine Farbkombination sicherlich nicht gibt: schwarz-weiß.
Die Rolle der EU beschränkt sich also hauptsächlich auf Symbolpolitik und das Zuschauen. Auch wenn es dankenswerterweise Friedrich Merz gelungen ist, die von der Ampel vernachlässigte Europapolitik wieder auf die Agenda zu setzen und zum Beispiel die so wichtige Achse Deutschland-Frankreich zu stärken. Dennoch bleibt der Wirtschaftsmacht EU zu oft nur die Statistenrolle auf der Weltbühne.
Wieso das so ist, mag verschiedene Gründe haben. Sicher liegt es am Geburtsfehler der europäischen Vereinigung, die vor allem als Regierungs- und weniger als Demokratieprojekt installiert wurde. Das EU-Parlament musste sich seine Kompetenzen mühsam Schritt für Schritt erkämpfen und besitzt bis heute nicht die Souveränität, die einer demokratischen Volksvertretung zukäme. Vor allem die nationalen Regierungen bestimmen, was oft zu Verwerfungen führt, wie man etwa an Ungarn oder der Slowakei sehen kann. Nicht die Legislative, sondern die Exekutive hat in Europa das Sagen.
Besonders deutlich wird das an der überbordenden EU-Bürokratie. Kaum ein Feld, an dem die Brüsseler Bürokraten nicht – sei es aus Regulierungswut, aus Machtstreben oder purer Langeweile – in das Leben der Menschen eingreifen. Oftmals getrieben vom missionarischen Bestreben, den besseren – grünen – Menschen zu erschaffen. Insofern hat die EU in einer säkularisierten Welt etwas von einer Ersatzreligion. Der Unterschied ist nur, dass zum Beispiel das Christentum mit Strafen im Jenseits droht – was man glauben mag oder nicht – die EU hingegen sanktioniert bereits im Diesseits, was Bürger und Unternehmen täglich schmerzhaft erfahren müssen.
Wie weit die EU-Bürokraten vom wahren Leben entfernt sind, zeigt sich an großen und ganz kleinen Beispielen. Die Vorschrift, dass Plastikdeckel auf Flaschen angetackert sein müssen, mag einige Öko-Missionare begeistern, sorgt aber keineswegs für weniger Plastikmüll in den Weltmeeren. Hat einer der Bürokraten mal an einem Pfandautomaten gestanden und beobachtet, wie viele Flaschen da ohne Deckel eingeworfen werden? Da hätte er lange warten müssen. Das Einzige, was diese und unzählige andere Vorschriften erreichen ist, dass die Bürger zunehmend von der EU genervt sind.
Und das ist die eigentliche Gefahr: Dass die großartige Idee des Friedensprojektes Europäische Einheit wegen nervender Nebensächlichkeiten bei den Bürgern in Misskredit gerät und die Nationalisten fröhliche Urständ feiern. Die EU sollte sich deshalb auf ihre Kernaufgaben besinnen, sonst wird sie nicht nur in der Weltpolitik, sondern auch bei den Bürgern nur noch eine Komparsen-Rolle spielen. Und das wäre fatal für uns alle.

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Zwischenrufer heißt unsere Kolumne, in der Dieter Schreier einen Blick auf das Hanauer Stadtgeschehen oder allgemeine Themen wirft. Der gelernte Journalist hat viele Jahre als Redaktionsleiter, Chefredakteur und Geschäftsführer bei Institutionen und Zeitungsverlagen in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Thüringen und Hessen gearbeitet und ist heute als Medienberater und in der Journalisten-Weiterbildung aktiv. In Hanau ist er seit mehr als 25 Jahren präsent.

SchwarzNun kennen wir sie endlich. Die Zentralen des Bösen, die Heimstätten des Verbrechens, die Horte des Lasters. Nein...
09/08/2025

Schwarz

Nun kennen wir sie endlich. Die Zentralen des Bösen, die Heimstätten des Verbrechens, die Horte des Lasters. Nein, es sind nicht üble Spelunken, keine Treffpunkte von Clans oder Scheinläden diverser Mafia-Organisationen. Das mit Abstand größte deutsche Laster findet man in Friseursalons, Nagelstudios und Barbershops. Diese Erkenntnis verdanken wir jedenfalls unserem Finanzminister Lars Klingbeil, der in diesen anrüchigen Etablissements die größte Bedrohung unseres Landes ausgemacht hat: die Schwarzarbeit! Gemeinsam mit seiner SPD-Co-Vorsitzenden Bärbel Bas, unserer Arbeitsministerin, hat er diesem größten Übel seit der Spanischen Grippe den Kampf angesagt. Künftig müssen alle, so haben es die beiden verkündet, die auch nur eine Schere in die Hand nehmen oder an einem Fingernagel feilen, stets ihren Personalausweis oder Pass bei sich führen, um bei Überprüfungen durch die Behörden gewappnet zu sein. Das hat gesessen!
Der Eifer, mit dem die beiden der Schwarzarbeit zu Leibe rücken wollen, ist ebenso ehrenwert wie erstaunlich. Immerhin entgehen dem Staat ja erkleckliche Summen an Steuern durch dieses Übel. Wieviel es genau sind, weiß allerdings keiner. Die Schätzungen gehen von ein paar bis zu über 300 Milliarden, da hat inzwischen ein Überbietungswettbewerb eingesetzt.
Perfekt orchestriert wurde der Kabinettsbeschluss des Gesetzentwurfes durch einen kameratauglichen Auftritt von Bas und Klingbeil bei einer Razzia des Zolls auf einer Berliner Baustelle. Die Minister rücken dem Verbrechen persönlich auf die Pelle – das war ein bisschen zu dick aufgetragen. Es gehe darum, denen, die den Staat um die Steuern betrügen und die Arbeiter ausbeuten, das Handwerk zu legen, so Klingbeil in die Kameras. Hoffen wir nur, dass die ertappten Schwarz-Arbeitgeber bei der Frage nach der Herkunft ihrer Mitarbeiter nicht von ähnlichen Erinnerungslücken befallen werden, wie unser ehemaliger Bundeskanzler in Sachen der Cum-Ex-Betrügereien.
Was Klingbeil allerdings nicht sagte: Der Kampf gegen die Schwarzarbeit trifft nicht nur die Schwarz-Arbeitgeber, sondern vielmehr noch die Schwarz-Arbeitnehmer. Und das sind durchweg die „kleinen Leute“, als deren Schutzmacht sich die SPD gern sieht. Was ihr aber spätestens seit dem Ampel-Desaster immer weniger Wähler abnehmen. Und was auch verschwiegen wird ist, dass die Schwarzarbeit auf einem Boden gedeiht, den ihr die Regierungsparteien der letzten Jahrzehnte bereitet haben.
Das geht schon im Handwerk los, wo man erhebliche Geduld aufbringen muss, um einen Termin zu bekommen. Viele Betriebe haben entnervt aufgegeben wegen einer irrwitzigen Bürokratie und immer neuen Auflagen. Oder weil es zu wenig Nachwuchs gibt. Was kein Wunder ist, nachdem man jahrelang den Schulabgängern gepredigt hat, dass der wahre Mensch erst mit dem Uni-Studium beginnt. Die „kleinen Leute“, die sich wegen der hohen – auch staatlich verursachten – Kosten einen offiziellen Handwerker nicht leisten können, weichen deshalb auf die berühmte „Nachbarschaftshilfe“ aus. Die wiederum wird oft von Handwerkern gewährt, die nach Feierabend ihren durch Abgaben arg reduzierten Lohn aufbessern wollen. Früher war es üblich, dass sich zum Beispiel ein Maurer mit seinem realen Lohn und Eigenleistung ein Häuschen für die Familie leisten konnte. Heutzutage scheitert das schon an den horrenden Grundstückspreisen und Bauvorschriften, die die Kosten in schwindelerregende Höhen treiben.
Hinzu kommt eine fragwürdige Sozialpolitik, die den Empfang von Bürgergeld plus Schwarzarbeit attraktiver macht als ordnungsgemäß und angemeldet zu arbeiten. Das Problem mit der Schwarzarbeit liegt also weniger in den Nagelstudios als vielmehr in den Amtsstuben und Politzirkeln, in denen eine irrwitzige Bürokratie aufgebaut wird, die normales Wirtschaftsleben im Keim erstickt. Insofern ist die jüngste Aktion der Regierung gegen die Schwarzarbeit eher Symbolpolitik als ein wirkliches Bekämpfen der Ursachen.
Wenn die Regierung aber weiterhin sich hauptsächlich auf Symbolpolitik konzentriert, anstatt die Übel bei der Wurzel zu packen, dann dürfte man für die Zukunft des Landes und auch der Demokratie vor allem eins sehen: Schwarz!

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Zwischenrufer heißt unsere Kolumne, in der Dieter Schreier einen Blick auf das Hanauer Stadtgeschehen oder allgemeine Themen wirft. Der gelernte Journalist hat viele Jahre als Redaktionsleiter, Chefredakteur und Geschäftsführer bei Institutionen und Zeitungsverlagen in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Thüringen und Hessen gearbeitet und ist heute als Medienberater und in der Journalisten-Weiterbildung aktiv. In Hanau ist er seit mehr als 25 Jahren präsent.

Erwartung Warum sind Menschen nur so, wie sie sind? Warum sind sie so unberechenbar? Warum machen sie so oft nicht das, ...
02/08/2025

Erwartung

Warum sind Menschen nur so, wie sie sind? Warum sind sie so unberechenbar? Warum machen sie so oft nicht das, was man von ihnen erwartet? Warum nutzen sie Angebote nicht, selbst wenn diese sinnvoll erscheinen und vor allem gut gemeint sind? Vielleicht liegt es ja nicht daran, dass die Menschen zu dumm sind, das Gute zu erkennen, sondern weil einfach die Erwartung an sie falsch ist.
Dazu zwei kleine Beispiele aus Hanau, die aber auch auf viele andere Städte zutreffen. Im Boten der vergangenen Woche war zu lesen, dass nur Wenige das Angebot der „Refill-Stationen“ nutzen. Also die Möglichkeit, in Geschäften und anderen Einrichtungen ihre mitgebrachte Trinkflasche mit gutem Hanauer Wasser zu füllen. Die einzige öffentlich zugängliche Trinkwasserquelle in der Innenstadt, die Wasserzapfsäule am Freiheitsplatz erfreue sich hingegen großer Beliebtheit. Vermutlich liege es daran, dass für die Refill-Stationen in den Geschäften bisher zu wenig Werbung gemacht wurde, heißt es von Seiten der Stadt. Nun kann man der Stadt Hanau vielleicht manches vorwerfen, aber sicher nicht, dass sie für ihre Aktionen zu wenig Werbung macht. Vielleicht liegt es ja daran, dass man einfach eine falsche Erwartung an das Verhalten der Menschen hatte, dass man sie falsch eingeschätzt hat.
Ähnliches gilt für die hochgepriesenen und hochsubventionierten Car-Sharing-Angebote im Pioneer-Park. Modern, klimafreundlich, einfach hip. Allerdings stehen die Mobilitätsstationen seit längerem leer, wie die Grünen kürzlich in einer Pressemitteilung beklagten. Dabei ist der Grund für das gefloppte Projekt ganz einfach: Es wurde vorerst aufgegeben, weil die Nachfrage zu gering war. Offenbar fehlte es auch schlicht an einer realistischen Einschätzung des menschlichen Verhaltens, vielleicht war die Erwartung falsch. Ähnliches gilt übrigens auch für die private Energiewende, sprich den Einbau von Wärmepumpen. Da wurde jetzt gemeldet, dass die Bereitschaft zur Installation drastisch hinter den Erwartungen zurückbleibt.
Möglichweise machen sich ja auch die, die entscheiden, allzuoft ein falsches Bild von der Masse der Menschen, von „Otto Normalverbraucher“. Dem hippen, jungen Klimaaktivisten dürfte es keine Probleme bereiten, mit der Trinkflasche in einen Laden zu laufen und Wasser zu ordern. Der nicht so hippen Bürgerin mag es hingegen etwas peinlich sein, der gestressten Verkäuferin auch noch die Wasserflasche vor die Nase zu halten. Vielleicht auch noch in einem Geschäft, dass selbst Mineralwasser im Angebot hat.
Und dem Nerd, der im Home-Office am Computer arbeitet, macht es vielleicht wenig aus, ein Auto mit anderen zu teilen. Der einfache Arbeiter oder Angestellte, der feste Arbeitszeiten hat – und das sind immer noch die meisten - ist hingegen oft auf den eigenen Wagen angewiesen. Da stößt der Wunsch nach einer modernen, nicht individualisierten Mobilität schnell an die Grenzen der Realität. Zumal jeden Tag Millionen ohnehin schon seit Jahrzehnten ein besonderes „Car Sharing“-Modell nutzen, was sich allgemein öffentlicher Nahverkehr nennt – trotz vieler Widrigkeiten.
Wie in der Politik überhaupt sollten sich die Verantwortlichen weniger an einem Menschenbild ausrichten, das ihnen in diversen Medien und von bestimmten Seiten als besonders modern vorgegaukelt wird, sondern sich mehr an der Realität orientieren. Damit Erwartungen nicht enttäuscht werden.
P.S: In Sachen Trinkwasser kann man einwenden, dass ein Netz öffentlicher Zapfstellen verdammt teuer ist. Die Frage ist aber, ob es immer hochpolierte Edelstahl-Zapfsäulen sein müssen. Ein einfacher Wasserhahn, zum Beispiel an der Waschbeton-Außenwand des Rathauses, würde ja vielleicht auch reichen. Gegen Missbrauch geschützt durch einen einfachen Druckwasserknopf. Diese Zapfstelle würde sicher öfter genutzt werden, als die Refill-Angebote in den Geschäften, da es hier keinerlei Hemmschwelle gibt. Diese Erwartung darf man getrost haben.
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Zwischenrufer heißt unsere Kolumne, in der Dieter Schreier einen Blick auf das Hanauer Stadtgeschehen oder allgemeine Themen wirft. Der gelernte Journalist hat viele Jahre als Redaktionsleiter, Chefredakteur und Geschäftsführer bei Institutionen und Zeitungsverlagen in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Thüringen und Hessen gearbeitet und ist heute als Medienberater und in der Journalisten-Weiterbildung aktiv. In Hanau ist er seit mehr als 25 Jahren präsent.

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