
28/09/2025
Wir müssen reden - es geht um Fußball.
Aber eigentlich geht es nicht wirklich um Fußball, sondern um Fan-Kultur.
Ihr erinnert Euch an eines meiner letzten Sonntagspostings, in dem es um Sucht ging? Daran musste ich denken, als ich gestern im Fanblock der Gegengerade am Millerntor stand und umgeben von unendlich liebenswerten St. Pauli Fans war. Großes Glück, überhaupt eine Karte zu ergattern und dann auch noch in eine Gruppe eingefleischter Fans und vor allem Kiez-Bewohnern das Spiel anzuschauen. Wirklich, die Stimmung war super. Es gab Pommes, wir teilten Popcorn - mir wurde immer wieder erklärt, wann ich klatschen, wann ich was Singen, wen ich nicht fotografieren und wann ich den Mittelfinger zeigen sollte. 😃 Ich liebe Sport und ich liebe dieses besondere Community-Gefühl. Das war ein toller Nachmittag.
Was mich jedoch immer wieder grübeln lässt, ist die Frage, braucht es für diese ausgelassene Stimmung wirklich Alkohol und muss unbedingt gekifft werden? Bisschen schlecht fühle ich mich schon, wenn ich auf diesen so coolen Nachmittag analytisch-kritisch drauf schaue. Männer lagen sich nach kurzer Zeit in den Armen, bei Toren wird sich geherzt, überall Liebe verteilt, bei den Fan-Gesängen Gänsehaut, laute Wut bei Zeitverzögerung und Schiri-Entscheidungen. "Alles normal" würden vermutlich jetzt Fußball-Fans sagen. Ich hatte gestern alkoholfreies Bier, da ich immer weniger Alkohol trinke und fühlte mich dennoch als Teil der Gruppe - und war dennoch oder gerade deswegen Herrin meiner Sinne.
Was ist mit jenen, die regelmäßig - und das seit Jahren - bei jedem Spiel komplett neben sich das Stadion verlassen? Muss das sein?
Was mir richtig gut gefiel, war der Kaffeebecher von den Weiß-braunen-Kaffeetrinker:innen: https://lnkd.in/ePH5qyxh
Die WBK sind eine Fangemeinschaft, Selbsthilfegruppe und suchtpolitische Initiative. Die Mitglieder sind überwiegend trockene Alkoholiker:innen und Menschen mit Erfahrungen im Mischkonsum (Polytox).
Dafür mag ich den den FC St. Pauli so gerne, für das gesellschaftliche Engagement des Vereins.
Wäre es nicht viel schöner, das Fußballspiel mit allen aufkommenden Emotionen natürlich zu erleben? Loszulassen ohne Konsum? Darüber denke ich nicht das erste Mal nach. Wie viele Menschen sehen es als normal an, bei Dates auf jeden Fall Alkohol zu konsumieren? "Feiern gehen" bedeutet meist nicht nur tanzen und Spaß zu haben, sondern sich zu betrinken, damit es leichter fällt, sich gehen zu lassen. Ich wünsche mir, dass wir das nicht brauchen.
Was es dazu braucht? Mut - gewiss, ja - und Menschen, mit denen man sich wohl und sicher fühlt, das heißt keine Angst vor Be- und Abwertung haben muss und von denen man sich akzeptiert fühlt.
Im Sommer habe ich meinen Geburtstag nach dem Motto "Augen zu und tanzen" gefeiert. Ohne Alkohol, Raum, Musik, liebe Menschen - nach zwei Stunden waren wir glücklich ausgetanzt. Loslassen geht auch ohne Konsum - ganz gewiss.