19/07/2025
Disability Pride Month. Warum das kein "nice to have" ist.
In den USA wurde der Juli zum Disability Pride Month erklärt – als Reaktion auf die Verabschiedung des Americans with Disabilities Act 1990. Ein Gesetz, das längst nicht alles gelöst hat, aber ein deutliches Signal war: Behinderung ist kein Defizit. Diskriminierung schon. Aktuell scheint das für amerikanische Regierung keine Sache zu sein...leider
Und in Europa? In Deutschland?
Da diskutieren wir 2025 immer noch, ob Menschen mit unsichtbaren Erkrankungen überhaupt „behindert genug“ sind. Ob ein Rollstuhl „gerechtfertigt“ ist. Ob ein GdB wirklich 50 betragen darf, wenn man „noch sprechen, laufen, atmen kann“.
Wir erleben Ableismus in der Verwaltung, der Medizin, in Schulen, im Kulturbereich – und ja, auch in der Therapie.
Disability Pride heißt nicht, dass ich stolz bin, krank zu sein.
Es heißt: Ich bin nicht beschämt. Ich bin nicht defizitär. Ich bin nicht zu viel. Ich bin nicht dafür verantwortlich, dass das System mich nicht mitdenkt.
Ich bin Therapeut und selbst behindert. Ich kenne beide Seiten: die, die helfen wollen – und die, die sich ständig rechtfertigen müssen, um überhaupt Hilfe zu bekommen.
Ich arbeite mit Menschen, die wegen Long Covid, ME/CFS, Lähmungen oder Traumafolgestörungen aus dem Raster gefallen sind. Und ich sehe täglich, wie mutig sie leben, obwohl es kein Netz gibt, das sie wirklich auffängt.
Deshalb ist dieser Monat wichtig.
Weil Sichtbarkeit politisch ist.
Weil „Teilhabe“ kein Charity-Konzept ist.
Weil Behinderung in unserer Gesellschaft nicht Randerscheinung, sondern Realität ist.
Disability Pride heißt: Ich bin da. Ich spreche. Ich arbeite. Ich falle aus. Ich liebe. Ich brauche Pausen. Ich fordere barrierefreie Räume – und zwar nicht nur baulich. Sondern auch in den Köpfen.
Wer den Monat nutzt, um laut zu sein, unbequem zu sein, präsent zu sein – danke.
Und wer schweigt, weil der Alltag zu viel ist – auch das ist Teil der Wahrheit.