01/06/2023
Heute überlassen wir Meike Eggers, der Autorin der Cybionic-Reihe, das Wort:
Ein Happy End mit leicht dystopischem Beigeschmack – das war von Anfang an das Ende, das mir für die Cybionic-Trilogie durch den Kopf geisterte.
Eine Dystopie ist eine Erzählung, in der eine erschreckende Gesellschaftsordnung dargestellt wird – dort fing in Band 1 alles an. Wo ich mit der Geschichte hinwollte, liegt jedoch ein Paradies, ein Ort des vollkommenen Glücks, an dem Gut und Böse nicht nur gleichzeitig, sondern in Symbiose existieren. Befreiung und Gefangenschaft, Tod und Leben, alles ist miteinander vereint. Die Dualität der menschlichen Existenz löst sich in ein lineares Sein auf, oder ist es schon ein Nicht-Sein?
Und damit kamen beim Schreiben eine ganze Reihe Fragen in meinen Kopf, deren mögliche Antworten ich mit Liv und ihren Wegbegleitern umkreist habe:
Was, wenn die Technologie der Biologie tatsächlich überlegen ist und sie sich zum Untertanen macht, nicht aus Bösartigkeit, sondern einfach als logische Folge, weil sie weniger Irrwege einschlägt, weil sie schneller ist, nicht Generationen auf ihre Evolution warten muss? Was macht die Akzeptanz der Kontrolllosigkeit mit einem Menschen? Was, wenn sich Livs Identität auf dem Weg zum Happy End immer weiter auflöst und erst dadurch der Zustand des Glücks eintritt? Ist das Paradies dann nicht ein Betrug?
Wie wird Livs Leben auf der Inselwelt sein, von der kein Mensch je wissen wird, wie sie tatsächlich aussieht? Denn nicht unsere Augen sind es, die uns die Bilder der Welt zeigen, sondern unsere Gehirne – und Livs Gehirn hat ihr noch nie allein gehört. Ihr Bewusstsein unterliegt einer fremden, künstlichen Regie, der sie sich immer mehr übergeben wird. Der Verlust der eigenen Wahrnehmung erwacht als eine Form des Wahnsinns, der sie mitreißt in den glückseligen Strudel der alles beherrschenden Fantasie einer virtuellen Intelligenz.
Die menschliche Sehnsucht nach Sinn bekommt mal wieder ein neues Gewand: Eine fast schon religiöse Beladung des Technischen, in der Liv ihr ewiges Glück findet, solange der paradiesische Betrug rissfrei bleibt.