11/05/2025
Lust auf etwas Geschichte?
Den Faschismus kann man mit den unterschiedlichsten Weisen effizient bekämpfen:
Dennoch wird auch der Kampf gegen rechts, ganzweitrechts, nochweiterrechts und sorechtsdassmanvomrechtenrandrunterfällt auch heute noch gern leidenschaftlich auf dem Feld der Sprache geführt. Jüngstes prominentes Beispiel war das ZDF-Interview mit Björn Höcke, bei dem versucht wurde, mithilfe des Vergleichs von Hitler-Passagen und Höcke-Zitaten dem Thüringer AfD-Chef eine Maske vom Gesicht zu reißen, die er gar nicht trägt.
Gelegentlich geraten in diesen etwas aufgeregten linguistischen Stellvertreterkämpfen auch Wörter und Wendungen in den Ruf, aus dem Naziwortschatz zu stammen, die das gar nicht verdient haben.
Seit dem Aufstieg der AfD ist auch das Wort Altpartei unter verschärftem Naziverdacht. Wer es benutzt, muss damit rechnen, dass das Gegenüber die Diskussion abbricht und den Altpartei-Sager an den großen Onlinepranger stellt.
Der älteste Beleg für das Wort wurde allerdings ausgerechnet in einem geradezu legendär antifaschistischen Zeitschrift „Die Weltbühne“ 1928 gefunden, deren Herausgeber Carl von Ossietzky die N***s später im KZ quälten. Nachdem Hiller das Wort einmal in die Welt gesetzt hatte, machte es keineswegs eine Riesenkarriere. Im Nationalsozialismus war das Wort offensichtlich nicht gebräuchlich. Es wäre auch wenig sinnvoll gewesen, denn die meisten Parteien der seit 1919 existierenden Weimarer Republik (mit Ausnahme des Zentrums und der SPD) waren ja nicht oder nur unwesentlich älter als die 1920 gegründete NSDAP. In der Presse von 1933 bis 1945 lässt sich Altparteien im Plural nicht ein einziges Mal nachweisen. Altpartei erscheint nur gelegentlich in der lobenden Zusammensetzung Altparteigenosse. Damit ist aber nicht gemeint, dass der Genosse einer Altpartei angehörte, sondern dass er schon besonders lange Parteigenosse ist – die offizielle Bezeichnung für Mitglieder der NSDAP. Der Propagandaminister Joseph Goebbels hat das Wort Altparteien in keiner seiner vom Historiker Helmut Heiber komplett editierten Reden benutzt.
Als Naziwort lässt sich Altparteien erst Ende der 70er-Jahre nachweisen. In einem Informationsblatt der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten heißt es damals: „Nieder mit den Bonner Altparteien! Wir brauchen neue Kräfte mit neuen Ideen.“
Wirklich populär wird das Wort aber erst durch den Aufstieg der Grünen. Die grüne Politikerin Petra Kelly benutzte es häufiger, beispielsweise in ihrem Buch „Um Hoffnung kämpfen. Gewaltfrei in eine grüne Zukunft“, wo sie schrieb: „Wir wollen auch keine Einbindungsstrategien in das System, mit dem Ziel, zu Bündnissen und Koalitionen zu kommen. Das ist Wunschdenken der Altparteien, die die Grünen für ihren Machterwerb oder ihren Machterhalt mißbrauchen wollen.“ Seit 1982/1983 ist dann vermehrt von Altparteien in Medien wie „Spiegel“ oder „Zeit“ die Rede – immer um die Grünen von den drei damals etablierten Parteien CDU, SPD und FDP abzugrenzen.
Mit dem Aufstieg der AfD, die ja auch das einst eher im linken Spektrum angesiedelte Wort Alternative im Namen führt, wanderte Altpartei nach rechts. Die Mehrzahl der gegenwärtigen Belege findet sich in Äußerungen und Pressemitteilungen von AfD-Politikern, in Publikationen wie „Freie Welt“ und bei Autoren wie wie Thilo Sarrazin oder Anabel Schunke. Es wird aber weiterhin auch von neutralen Medien zur Beschreibung der veränderten Parteienlandschaft genutzt, und dagegen spricht gar nichts. Zumindest das Totschlagargument, es handele sich um ein Goebbels-Wort, sollte hiermit erledigt sein.
Quellen und damit vollständiger Artikel vom 23.10.2019: https://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article202340166/Ein-Mann-ein-Wort-Wer-hat-s-erfunden.html
Auf die Seite bin ich über die Quellenangaben von Wiki gekommen.