06/07/2025
Rockharz 2025
Day 4 Recab
Der vierte Tag des Rockharz-Festivals hatte noch einmal so gut wie alles zu bieten: nostalgische Momente, musikalische Höhenflüge, Überraschungen – und auch ein paar schräge Töne. Während wir uns die ersten Bands des Tages bewusst geschenkt haben (auch Metalkrieger brauchen Pausen), wurde der Tag ab Nachmittag eine emotionale Achterbahnfahrt mit jeder Menge Headbang-Potenzial.
Wir begannen mit den New York Hardcore-Veteranen Pro-Pain. Klar, die Band hat Geschichte geschrieben und live liefern sie stets mit der gleichen rotzigen Energie ab. Doch der Auftritt wirkte stellenweise wie aus einem anderen Jahrzehnt – und nicht unbedingt im nostalgischen Sinn. Die Songs kamen hart und direkt, aber auch wenig differenziert. Wer’s roh mag, wurde abgeholt. Für alle anderen war es eher ein Déjà-vu aus der späten 90er-Zeitkapsel.
Ganz anders im Anschluss Grand Magus: Drei echte Charakterköpfe standen da auf der Bühne, als wären sie direkt aus dem 70er Metal-Olymp zu uns gebeamt. Die Sonnenbrillen (natürlich verspiegelt!) waren fast so stylish wie die Riffs. Solide, schnörkellos und mit viel Charme zelebrierte das Trio klassischen Metal – erdig, ehrwürdig und angenehm unaufgeregt. Kein Firlefanz, einfach ehrliche Musik.
Wer dachte, Symphonic Metal sei weichgespült, wurde danach von Visions of Atlantis eines Besseren belehrt. Die Band spielte sich mit geradliniger Härte und packender Bühnenpräsenz direkt in die Herzen des Publikums. Kein operettenhaftes Pathos (auch wenn die Piratenoutfits manchmal ein wenig daran erinnerten), sondern Songs mit Eiern, Charisma und Spielfreude. Besonders Sängerin Clémentine Delauney bewies, dass Eleganz und Power kein Widerspruch sein müssen.
Dunkler wurde es mit Avatarium, deren Doom-getränkter Sound eine willkommene Abwechslung war. Mystische Atmosphäre, schwere Riffs und eine starke Performance von Sängerin Jennie-Ann Smith machten den Auftritt zu einem melancholisch-schönen Intermezzo – weniger Party, mehr Kopfkino. Und das war auch gut so, denn es sollte für den Rest des Tages die letzte Chance sein, einer Performance entspannt lauschen zu können.
Dann folgte nämlich der Stimmungsumschwung – Frog Leap betraten die Bühne und die Menge explodierte. Was einst als YouTube-Phänomen begann, ist heute eine ausgereifte Show der Extraklasse. Leo Moracchioli, Hannah Boulton, Truls Haugen am Schlagzeug und Christer Ottesen am Bass lieferten eine Performance, die vom ersten Ton an mitriss. Die Setlist war ein wilder Ritt: Von Totos “Africa” über „Killing in the name of“ von Rage Against the Machine bis hin zum gefeierten Pokémon-Theme-Song “Gotta Catch ’Em All” – Coverkunst auf höchstem Niveau, mit Humor, Können und absoluter Party-Garantie. Das ganze gepaart mit einem brettharten Sound, der selbst die Dixi-Toiletten am Ende des Infields zum Beben brachten und als krönendes Extra obendrein ein völlig frei drehender Typ in einem Hasenkostüm. Kannste dir nicht ausdenken. Hut ab!
Kaum war Frogleap verklungen, kam der nächste Abriss: Mr. Hurley & Die Pulveraffen verwandelten das Gelände in ein tanzendes Piratenschiff. Kaum zu glauben, aber die Stimmung kochte sogar noch höher. Mit Witz, Wumms und Folkpower wurde gefeiert, als gäbe es kein Morgen. Für viele war dieser Auftritt das heimliche Highlight des Abends – inklusive eines denkwürdigen Moments, als Mr. Hurley gestand: „Ich habe mir gerade in die Hose gemacht.“ Angesichts des proppevollen Infields darf man das aber auch. Das Publikum hatte zumindest die Zeit seines Lebens und feierte jede Sekunde des Auftritts augelassen.
Dragonforce lieferten, was man von ihnen erwartet: irrwitzige Geschwindigkeit, Laser-Power und Gitarrensoli aus einer anderen Galaxie. Herman Li, Sam Totman und Frédéric Leclercq zogen die Technik-Schraube bis zum Anschlag an und lieferten ein Set, das Gamer-Herzen höherschlagen ließ. Nerd-Metal in Reinkultur – für Fans ein Fest, für Neulinge vielleicht hier und da überfordernd und etwas zu viel Power-Metal auf einmal. Aber niemand konnte bestreiten: Handwerklich absolute Spitzenklasse.
Mit ASP wurde es theatralisch und dunkel. Die Gothic-Novel-Rocker boten einen durchinszenierten Auftritt mit Gänsehautmomenten und gesellschaftskritischen Zwischentönen. Musikalisch ein dichter Klangteppich aus Melancholie und Energie – visuell wie akustisch ein atmosphärischer Höhepunkt.
Der Headliner des Abends ließ sich kurz bitten – denn traditionell hielt Festivalchef Thomas die Abschlussrede. Doch dieses Mal gab’s Gänsehaut pur: Sein Heiratsantrag mitten auf der Bühne, mitten ins Herz. 20.000 Kehlen sangen „Oh wie ist das schön“, und ja, das war es. Danach zündete In Extremo ein Pyro-Gewitter mit voller Wucht. Mittelalterliches Flair traf auf Metal-Power, die Show war opulent, die Riffs wuchtig, der Sound fett – ein würdiger Festivalhöhepunkt mit allem, was dazugehört.
Zum Abschluss dann Tragedy, die Disco-Metal-Coverband mit Hang zum Wahnsinn. Leider war der Start eher holprig – schiefe Töne hier und da dominierten die ersten Songs. Doch zum Ende hin fanden sie ihren Groove, und das Publikum nahm’s mit Humor. Wer „It’s Raining Men“ mit Slayers Raining Blood kombiniert oder ABBA auf einem Metal-Festival covert, hat sowieso schon gewonnen. Musikalisch nicht überragend, aber unterhaltsam und kreativ – und das zählt bei einem Festivalabschluss eben auch.
Ein ausführlicher Nachbericht folgt demnächst – nun heißt es für uns erst einmal Wunden lecken, den Staub aus all unserer Kleidung und dem Equipment entfernen und ein wenig Schlaf nachholen.
Und wer schon Bock hat auf das Rockharz 2026 – der Vorverkauf startet schon diesen Montag, am 07.07. um 17h! Dann sind unter anderem Alice Cooper und Halloween mit am Start!