26/11/2025
Mutti, das Pflegeheim und ich
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Adventsüberraschungen
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Mutti hat einen zauberhaften Freund, den ich vermutlich sehr viel mehr zu schätzen weiß als sie. Schon mit Einzug ins Pflegeheim hatte er sich in sie verliebt. Und sagte das auch. Ich fand ihn sehr sympathisch - und auch gar nicht aufdringlich, trotz der nüchtern formulierten Ehrlichkeit – und unterhielt mich ab und zu mit ihm. Mutti fand ihn eher lästig, verstand nicht so recht, was ich an ihm fand und wies ihn auch sehr deutlich ab. Auch ehrlich, nur anders. Er aber hält ihr die Treue. Ab und zu besucht er sie, bringt immer eine Gabe und lässt sie wissen, dass sein Herz immer noch für die schlägt und dass er an sie denkt.
Heute komme ich in ihr Zimmer, und am Fenster hängt ein großer Zeitungsausschnitt, mühsam auf braunen Karton geklebt, damit er stabiler bleibt und das Licht nicht durchschimmert. Clever so angebracht, dass sie ihn vom Bett aus sehen kann, wenn sie den Kopf dreht. Bemerkt hatte sie das Geschenk trotzdem noch nicht, ist erstaunt, als ich sie darauf aufmerksam mache und sie fragt, was zu sehen ist.
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Es handelt sich um einen Bericht über das Weihnachtssortiment einer großen regionalen Gärtnerei. Aber der Herr hat ihn nicht deswegen gebracht, das verstehe ich sofort, sondern weil darauf ganz viele Weihnachtssterne abgebildet sind. Blumen schenken ohne Blumen kaufen zu können. Ich weiß sofort, von wem das Geschenk kommt, denn es ist ganz typisch für ihn. Wie haben schon öfter Zeitungsausschnitte bekommen – er ist einer der wenigen der nach wie vor die Zeitung liest.
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Es berührt mich sehr, dass sich jemand Gedanken macht, wie er mit den wenigen Mitteln, die ihm hier im Pflegeheim geblieben sind, anderen eine Freude machen kann. Schade, dass Mutti das kein Gespür mehr (?) dafür hat, wie rührend liebevoll Menschen sein können.
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Aber mit tut es gut, ich nehme die Geste mit in den Tag und finde, dass es sehr viel weihnachtlicher jetzt nicht mehr werden kann.