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🌿 Grundidee / KernkonzeptEine Wandergruppe im Westerwald wird während einer scheinbar harmlosen Tour auf dem Druidenstei...
14/10/2025

🌿 Grundidee / Kernkonzept

Eine Wandergruppe im Westerwald wird während einer scheinbar harmlosen Tour auf dem Druidensteig in ein uraltes Geheimnis verwickelt.
Die charismatische Wanderführerin Danni entdeckt, dass sie die Nachfahrin einer vergessenen Hüterlinie ist – Wächter eines Kristalls, der die Seele des Landes schützt.
Als moderne Kräfte (Wirtschaft, Profit, Technik) in das Gleichgewicht der Natur eingreifen, erwacht der uralte Geist des Silbersees.
Danni und ihre Freunde müssen sich entscheiden, ob sie Zuschauer bleiben – oder selbst zu Hütern werden.

🧭 Schauplätze

1. Silbersee im Naturschutzgebiet Mahlscheid – geheimnisvoll, still, Spiegel der Zeit

2. Druidensteig – uralter Wanderweg mit geologischen Lehrpfaden, aber auch mystischen Punkten

3. Auge Gottes – Basaltdenkmal von 1921, zentrales Symbol der Geschichte

4. Blaue Halde – Ruine eines alten Bergwerks, Ort einer verborgenen Kraftlinie

5. Waldgaststätte Köppel – Basislager, Treffpunkt, Ort der Rückkehr

6. Unterirdischer Stollen – mythologischer Kernort, Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart

👥 Hauptfiguren

Danni Seidel

Blonde, naturverbundene Wanderführerin, um die 30.
Charismatisch, humorvoll, tief verbunden mit dem Westerwald.
Hat eine unbewusste spirituelle Verbindung zur Natur und spürt Dinge, die andere nicht wahrnehmen.
→ Später erkennt sie sich als Wiedergeburt bzw. Nachfahrin der Hüterin des Sees.

Manfred Harlos

Chronist, Fotograf, ruhiger Beobachter, Erzähler der Geschichte.
Notiert alles – und wird so zum Zeugen des Unfassbaren.
Er ist skeptisch, aber offen genug, um das Unerklärliche zuzulassen.

Hilda vom Hang

Ältere Einsiedlerin, lebt am Rande des Naturschutzgebiets.
Bewahrt uralte Überlieferungen und Mythen.
Mentorin und Mahnerin: „Der See schläft nur – wehe, wenn er erwacht.“

Peter Becher (der Steinmetz)

Historische Figur (Schöpfer des „Auge Gottes“, 1921).
Tritt in Visionen und Träumen auf – als Geist, der Dani führt.
Er spricht in Rätseln und Symbolen.

Die Gruppe

Eine Handvoll Wanderer – Freundeskreis, teils Touristen, teils Einheimische.
Sie bilden den neuen „Kreis der Hüter“.
Jede Figur repräsentiert eine „Kraft“: Herz, Verstand, Mut, Erinnerung, Zweifel, Glauben.
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Vorwort

Es gibt Orte, die mehr sind als Landschaft.
Sie tragen Geschichten in sich – leise, tief und geduldig. Der Westerwald gehört zu diesen Orten. Wer hier wandert, begegnet nicht nur der Natur, sondern auch sich selbst.

An einem kühlen Herbsttag machte sich eine Gruppe von Freunden auf den Weg, den Druidensteig zu erkunden – einen Pfad, der durch uralte Wälder, über Basaltfelsen und an stillen Seen vorbeiführt. Wir suchten Bewegung und Gemeinschaft, doch fanden etwas anderes: das Unerklärliche.

Unsere Wanderführerin Danni, die wir liebevoll „Wander Woman“ nennen, hat ein besonderes Gespür für solche Dinge. Während andere an Steinen vorbeigingen, blieb sie stehen. Als wir am sogenannten Auge Gottes ankamen – jener geheimnisvollen Basaltplatte, die der alte Peter Becher vor über hundert Jahren schuf –, geschah etwas Seltsames.

Das Licht brach durch die Wolken, fiel auf das Symbol, und für einen Moment schien es, als hätte sich der See selbst bewegt. Danni sah hin – und etwas in ihrem Blick veränderte sich.

Später, in der Gaststätte am Köppel, sprachen wir darüber. Sie lachte und sagte, das sei nur Zufall gewesen. Doch irgendetwas im Westerwald hatte sie erkannt – und sie vielleicht auch.

Dieses Buch erzählt, was danach geschah.
Es ist eine Geschichte von Natur und Erinnerung, von Freundschaft, und von jener unsichtbaren Linie, die die Menschen mit der Erde verbindet. Danni steht im Mittelpunkt – nicht nur als Wanderführerin, sondern als jemand, der ein uraltes Erbe in sich trägt: das der Hüter des Silbersees.

Ich widme diese Geschichte all jenen, die mit mir gegangen sind – über Wurzeln und Steine, durch Wind und Lachen, bis zur Waldgaststätte Köppel, wo am Ende jedes Abenteuers eine dampfende Suppe, ein kühles Bier und das Gefühl von Heimat warten.

Und vielleicht, wenn ihr das nächste Mal durch den Westerwald wandert, haltet einen Moment inne. Lauscht.
Vielleicht hört ihr dann auch das leise Wispern des Sees – oder seht, wie das Auge auf dem Stein euch für einen Atemzug anblickt.

Manfred Harlos
Westerwald, Herbst 2025

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Kapitel 1 – Der Aufbruch

Ein kühler Hauch wehte über die Höhen des Westerwaldes. Zwischen Nebelschleiern und goldenen Blättern funkelte der Morgen, als wolle er selbst die Wanderer willkommen heißen, die sich an diesem Herbsttag am Parkplatz der Mahlscheid versammelt hatten.

Danni Seidel stand mit ihrem Rucksack an der Spitze der kleinen Gruppe. Ihr Lächeln war so offen wie der Himmel über ihnen, und in ihren Augen lag ein Schimmer, den man erst verstand, wenn man länger hinsah – etwas zwischen Freude und Ahnung.
Auf ihrem grauen Shirt prangte in weißen Lettern: WANDER WOMAN.

„Na, seid ihr alle wach?“ rief sie und klatschte in die Hände.

Ein paar halb verschlafene Stimmen murmelten zustimmend.
Manfred Harlos, Chronist der Gruppe, zückte schon jetzt seine Kamera. Er hatte sich vorgenommen, jeden Moment dieser Tour festzuhalten – die Farben, die Gesichter, die kleinen Wunder am Wegesrand.

„Wenn ich euch richtig kenne, dauert’s keine zwanzig Minuten, bis die erste Jacke ausgezogen wird“, sagte Danni lachend.

„Oder der erste Schnapsflachmann ausgepackt“, brummte jemand aus der hinteren Reihe, worauf die Gruppe in Lachen ausbrach.

Dann, als sich die Stimmen beruhigt hatten, hob Danni den Blick zum Wald hinauf. Der Druidensteig begann dort, wo die Asphaltstraße endete – ein Pfad aus Wurzeln, Steinen und alten Geschichten.

Ein Windstoß ließ die Äste über ihnen rauschen, als würde der Wald sie begrüßen.

„Los geht’s, Hüter des Silbersees!“, sagte Danni mit einem Zwinkern – halb im Spaß, halb im Ernst.

Manfred blickte kurz zu ihr auf. Hüter des Silbersees. Der Name blieb in seinem Kopf hängen, ohne dass er wusste warum.

Der Pfad führte sie an den ersten Basaltfelsen vorbei, schroff und uralt. Danni erzählte von den alten Druiden, die hier einst Opfergaben aus Kräutern und Wasser niedergelegt hätten. Ob es stimmte, wusste niemand – aber die Gruppe hörte gebannt zu.

Die Sonne kämpfte sich langsam durch den Nebel, und die Landschaft öffnete sich. Moosbewachsene Steine, das Rascheln von Blättern, das ferne Klopfen eines Spechts – alles schien einen Rhythmus zu haben, als ob der Wald selbst atmete.

„Wisst ihr“, sagte Danni plötzlich, „man sagt, der Silbersee sei gar kein richtiger See. Manche glauben, er sei ein Spiegel – und wer zu lange hineinschaut, der sieht nicht nur sich selbst, sondern auch das, was tief in ihm verborgen liegt.“

Einen Moment lang war es still.

Dann räusperte sich Manfred. „Klingt nach einer guten Geschichte. Vielleicht schreib ich sie auf.“

„Tu das“, antwortete Danni. „Aber sei vorsichtig. Geschichten können dich verändern.“

Der Pfad führte weiter hinauf, das Gelächter verklang, und eine seltsame Stille legte sich über die Gruppe. Als sie schließlich den Aussichtspunkt erreichten, öffnete sich vor ihnen der Blick auf den See – still, silbern, und so glatt, dass er wirkte, als hätte jemand ihn aus Glas gegossen.

Ein silbriges Blinken huschte über die Oberfläche – kaum sichtbar, aber genug, dass Danni kurz den Atem anhielt.

Niemand sagte ein Wort.

Nur Danni stand da, als hätte sie etwas gehört – ein kaum wahrnehmbares Wispern, tief aus dem Wasser.

Sie lächelte.
„Willkommen, Freunde“, sagte sie leise. „Hier beginnt unser Weg.“

Und irgendwo, tief unter dem Wasser, schien etwas zu antworten.

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Euer Manfred Harlos
AUTOR

Das Buch wird Anfang 2026 als E-Book auf meiner Homepage veröffentlicht :
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VorwortManche Geschichten schreiben sich nicht – sie geschehen.Sie treten an die Schwelle des Bewusstseins, klopfen an w...
10/10/2025

Vorwort

Manche Geschichten schreiben sich nicht – sie geschehen.
Sie treten an die Schwelle des Bewusstseins, klopfen an wie eine fremde Hand, die man nicht erwartet, und wenn man öffnet, ist es bereits zu spät, sie hinauszuhalten. Der Metzger ist eine solche Geschichte.

Sie beginnt mit einer Einladung, die niemand bestellt hat, und endet an einem Ort, an dem Wirklichkeit und Wahn denselben Geruch tragen: Eisen, warm und nah.
Dazwischen liegt ein Weg durch Angst, Hunger, Erinnerung – und durch das, was vom Menschen übrig bleibt, wenn man ihn bis auf die Stille auszieht.

Dies ist keine blutige Erzählung, sondern eine leise, schleichende.
Sie erzählt von Verwandlung – vom Moment, in dem man begreift, dass man längst Teil eines Kreislaufs geworden ist, den man nie verstehen wollte.
Man kann sie lesen wie einen Albtraum, oder wie eine Beichte.

Wenn Sie diese Seiten aufschlagen, betrachten Sie das nicht als Warnung, sondern als Einladung.
Denn jede Einladung verlangt eine Antwort.
Und manche Antworten bleiben für immer im Raum.

Elias Kosmos

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Kapitel 1 – Die Einladung

Er erinnerte sich später daran, dass der Tag selbst nichts Auffälliges getragen hatte. Ein milder Wind, der die Fahnen vor dem Postamt nur halb hob. Ein Husten im Treppenhaus, der aus einem anderen Jahrhundert zu stammen schien. Die Tapete im Flur, die an den Rändern aufblühte wie ein zu spät geputzter Schimmel. Er hatte die Hand am Geländer, als das Geräusch der Briefklappe die Stille zerschnitt, knapp und metallisch, ein kurzer Hieb. Es war diese Art von Laut, der in der Luft hängen blieb, als könnte man ihn zwischen zwei Fingern festhalten.

Er stand eine Weile an der Tür, ohne das Schloss zu drehen. Jemand im Hinterhof lachte, doch das Lachen war zu dünn, um freundlich zu sein. Dann öffnete er, und in der Dunkelheit des schmalen Flurs lag ein Umschlag auf der Fußmatte, aufrecht an die Leiste gelehnt, als hätte ihn eine unsichtbare Hand sorgsam abgestellt. Das Papier war cremefarben und schwer, altmodisch, mit einer rauen Oberfläche. Kein Absender auf der Vorderseite, nur sein Nachname, sorgfältig kalligrafiert, so nah an einer vertrauten Handschrift, dass sein Herz einen Moment lang aussetzte.

Er trug den Umschlag in die Küche, als trüge er etwas Zerbrechliches. Das Glas im Fenster vibrierte leise vom Wind; seine Finger fühlten sich unbeholfen an, als er nach einem Messer suchte. Stattdessen nutzte er die Kante des Tischs, glitt langsam unter die Lasche, sodass das Siegel – war es Wachs? – mit einem knirschenden Seufzer brach. Ein Geruch löste sich aus dem Papier, kaum merklich, etwas, das er nicht sofort benennen konnte: Eisen, dachte er, aber das war Unsinn. Eisen roch nicht. Es war der Geruch von etwas Vergangenem, Eingetrocknetem, ein Hauch wie aus einer kalten Kirche.

Die Einladung bestand aus einer einzigen Karte. Kein Ornament, kein Logo, nur Druckbuchstaben, die so scharf und gleichmäßig waren, dass sie nicht von einer Maschine, sondern von einer Hand geformt wirken wollten:

> Sie sind eingeladen.
Heute, nach Einbruch der Dämmerung.
Zum Abend.
Eintritt und Konsumation auf Haus.
Bringen Sie niemanden mit.
Folgen Sie dem Geruch von Eisen.

Darunter eine Adresse, die er kannte, ohne sie je betreten zu haben: eine Querstraße hinter dem alten Schlachthofgelände, dort, wo die Fassaden seit Jahren blind wirkten und die Bäume in den Höfen schief standen. In seinem Kopf schob sich das Wort Eisen nach vorn, schwer wie ein Stein.

Er setzte sich, die Karte in der Hand, und hörte die Uhr im Wohnzimmer, die neuerdings einen Ton zu viel machte – als hätte der Sekundenzeiger das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen. Der Tee auf dem Herd war kalt geworden. Er stellte die Karte hin, aufrecht gegen das Salzglas, und die schwarzen Buchstaben schienen dunkler zu werden, je länger er sie ansah.

Einladung. Abend. Auf Haus. Es war so eine Sprache, die er kannte, eine Sprache aus einer Zeit, in der man noch anständig sagte, wenn man verbindlich meinte, und verbindlich, wenn man unanständig erwartete. Er schob die Karte weiter vom Rand des Tisches weg, als könnte sie fallen. Bringen Sie niemanden mit. Die Formulierung blieb hängen. Als wolle jemand verhindern, dass sich Zeugen einschlichen. Oder, tröstlicher gedacht, dass das Exklusive entwertet würde.

Er dachte an den Schlachthof. Die Gebäude standen seit Jahren leer, ein Areal, das die Stadt aus ihrem Gedächtnis gestrichen hatte, ohne es jemals herauszureißen. Wenn er früher mit der Straßenbahn daran vorbeifuhr, sah er die Mauern mit den zugemauerten Fenstern, graues Mauerwerk, das im Winter die Kälte spiegelte und im Sommer den Staub. Es gab einen Geruch, der dort nie ganz verschwand, selbst wenn der Wind aus einer anderen Richtung kam. Manche sagten, das sei Aberglaube; Gerüche seien Gedächtnis, nicht Gegenwart. Er wusste es nicht.

Er stand auf, ging ans Fenster. Unten auf dem Pflaster lag eine tote Taube, so flach, als habe ein Wagen sie zu Papier gepresst. Eine rote Kordel hing vom Balkon gegenüber, im Wind straff, dann lose, dann wieder straff, als spiele eine unsichtbare Hand damit. Er schloss das Fenster. Das Summen der Straße fiel leiser zurück, und in die Stille hinein legte er seine Hand wieder auf die Karte, als prüfe er, ob sie noch warm war.

Später würde er sich daran erinnern, dass er in genau dieser Sekunde entschied, hinzugehen. Nicht aus Neugier – die Neugier war eine Ausrede –, sondern weil in ihm eine Müdigkeit wuchs, die sich nach einer Entscheidung sehnte, die nicht von ihm kam. Wenn eine Einladung ohne Absender kommt, dachte er, ist sie entweder ein Fehler oder Schicksal. Und beides ist eine Form von Entlastung.

Er legte die Karte in die innere Tasche seines Mantels. Es war noch hell, aber die Helligkeit war schon leicht verblasst, in der Art, wie eine Glühbirne kurz vor dem Durchbrennen gelblich wird. Er wusch die Tasse, ohne die Teeränder ganz zu entfernen. Dann verließ er die Wohnung, das Schloss drehte sich unter seiner Hand mit dem vertrauten Widerstand, und auf der Treppe roch es nach kaltem Kohl und dem nassen Fell eines Hundes, den er nie gesehen hatte.

Draußen lag die Stadt still wie ein Tier vor dem Sprung. Vor den Läden standen Männer, deren Gesichter zu den Händen passten, die sie in die Schürzen wischten. Eine Frau stützte einen Kinderwagen, der seit Jahren aus der Mode sein musste. Die Straßenbahn fauchte, als sie um die Kurve kam, und der Schaffner sah aus dem Fenster mit dem Ausdruck eines Mannes, der beschlossen hat, jeden Tag exakt gleich zu leben, damit kein Unglück einen Anlass findet. Er ging zu Fuß.

Die Querstraße lag dort, wo die Stadt aufhörte, sich um ihre Erscheinung zu kümmern. Pflastersteine standen schief wie Zähne. Die Eckkneipe war geschlossen, im Fenster klebte ein Schild, auf dem in verblasstem Rot „Bald wieder da“ stand, und darunter kratzte jemand eine Jahreszahl hinein, die längst vergangen war. Er bog in die Straße ein und blieb stehen.

Es war kein Geruch von Eisen. Es war der Geruch von etwas, das Eisen berührt hatte. Ein Hauch von Metall auf der Zunge, ein kaum messbarer Ton hinter den unteren Schneidezähnen, als legte sich eine Münze in seinen Mund. Er würde später sagen, der Abend habe dort begonnen, wo die Luft schwerer wurde. Aus einem Hinterhof kam das Schlagen, das an Holz erinnerte. Nicht rhythmisch, nicht Willkür, sondern etwas Drittes, als schlüge jemand auf einen Tisch, um eine kleine Ordnung in die Welt zu stoßen.

Die Adresse gehörte zu einem Haus, das sich dem Blick entzog: keine Klingelschilder, keine Gardinen, keine Blumen in der Fensterbank, die vorgaben, jemand wohne hier. Nur eine Tür, dunkelgrün gestrichen, die Farbe an den Kanten eingerissen wie aufgeplatzte Haut. Er suchte nach einem Knopf, nach einem Seil, nach etwas, das nach Einladung aussah. Nichts. Nur das Holz unter seiner Hand, hart und kühl. Er drückte.

Die Tür gab nach, als wäre sie nicht verschlossen gewesen – oder für ihn geöffnet. Ein Flur, so schmal, dass seine Schultern die Farbe berührten; an der Wand hingen Haken, auf denen keine Mäntel hingen, nur ihr Schatten. Am Ende, ein Licht, gelb und fern. Er hörte den eigenen Atem, kontrolliert und unauffällig, als hätte er Besuch von sich selbst. Der Boden war gereinigt worden, doch die Farbe ließ dunklere Ränder erahnen, dort, wo früher die Schuhe standen. Er ging.

Es roch nach Seife und noch etwas. Eisen. Der Geruch war jetzt näher an den Schleimhäuten, als hätte er den Kopf in eine Schale gesteckt. Er dachte an die Worte auf der Karte und daran, wie leicht man Spuren folgen konnte, wenn sie nicht sichtbar waren. Eine weitere Tür stand offen, und dahinter begann ein Raum, der sich weigerte, gleich zu enden. Als er ihn betrat, bemerkte er zuerst das Schweigen der Dinge. Ein langer Tisch, gedeckt für mehrere, mit weißen Decken, die zu weiß waren. Gläser, in denen das Licht sich sammelte. Und eine Zahl von Stühlen, die nicht auf ihn warteten, sondern auf die Tatsache, dass jemand käme.

„Guten Abend.“

Die Stimme kam von rechts. Ein Mann trat aus dem Schatten, nicht groß, nicht klein, in einer Art Jacke, die nach Arbeit aussah, ohne die Flecken zu zeigen, die Arbeit hinterlässt. Er hatte das Gesicht eines Menschen, der gelernt hatte, dass man lächeln kann, ohne die Mundwinkel zu bewegen. Seine Hände waren n***t, und die Nägel waren sauber.

„Sie sind pünktlich“, sagte er.

Er nickte. Er begriff, dass er erwartet worden war, nicht bloß willkommen. Der Mann wies mit einer kleinen Drehung der Hand auf einen Stuhl, nicht am Kopfende, aber nahe genug, dass es sich wie eine Reihe anfühlte. Er setzte sich. Die Karte lag wie ein Gewicht in seinem Mantel; plötzlich wurde ihm das Futter zu eng.

„Darf ich Ihnen das Jackett abnehmen?“ fragte der Mann.

„Nein“, sagte er, freundlich, als handle es sich um einen Reflex. Er war nie gut darin gewesen, Dinge herzugeben, die er am Körper trug. In seinem Kopf begann die Uhr im Wohnzimmer zu schlagen, obwohl sie kilometerweit entfernt war.

Der Mann nickte, als hätte er genau diese Antwort erwartet, und verschwand leise. Im Raum blieb der Geruch, und dazu kam ein anderer: etwas Warmes, das aus einer Küche hätte kommen können, wenn es eine Küche gäbe. Er hörte kein Klappern, kein Wasser, kein Messer. Nur das Summen des Lichts über ihm, das in einer Fassung hing, die alt genug war, nicht mehr neu zu sein.

Auf dem Tisch lag eine Karte, nicht die Einladung, sondern eine Speisekarte, wenn man das Wort so nutzen wollte. Er zog sie zu sich heran. Der Abend, stand oben. Darunter kein Preis, keine Zutaten, nur ein Ablauf, in fünf Gängen, nüchtern und ungerührt: Ankunft. Entscheidung. Einverleibung. Spiegel. Aufhebung. Er fuhr mit dem Finger über das Wort Entscheidung und fühlte das Relief der Buchstaben, als wären sie in die Luft gestanzt.

Andere Gäste kamen, lautlos, aus Nebenräumen, aus dem Nichts. Eine Frau mit einem kleinen, flachen Hut, der so altmodisch war, dass er wieder unauffällig wurde. Ein Mann mit Augen, die ständig kurz über den Tisch glitten, als zähle er trocken. Ein jüngerer, der aussah, als würde er gleich das Lachen finden, wenn man ihn nur freundlich anspräche. Sie setzten sich, ohne ihn anzusehen, und jedes Stuhlbein machte einen anderen Ton, als hätte der Boden unter ihnen Erinnerungen.

„Willkommen zum Abend“, sagte die Stimme wieder, und diesmal stand der Mann am Kopfende, ohne sich den Platz genommen zu haben – er war einfach dort. „Sie sind hier, weil jemand Sie eingeladen hat. Wir nennen ihn Gast. Manche nennen ihn Schicksal. Es spielt keine Rolle. Was eine Rolle spielt, ist, dass Sie hungrig sind.“

Er wollte sagen, dass er nicht hungrig sei. Aber sein Magen gab ein leises, peinliches Geräusch von sich, und er verstand, dass es nicht um Essen ging, nicht nur. Der Mann am Kopfende lächelte jetzt, mit den Augen und dem Mund, als hätte er die Erlaubnis dazu erhalten.

„Der erste Gang,“ sagte er, „ist immer der schwerste, und doch der leichteste. Sie werden essen, was Sie in den Raum gebracht haben, ohne es zu wissen.“

Die Frau mit dem flachen Hut legte die Hände auf den Tisch, faltete sie nicht, ließ sie einfach liegen. Der jüngere Mann starrte das Silber an, als sähe er sein Gesicht darin und erkenne es nicht. Er selbst suchte im Raum nach einer Uhr und war erleichtert, keine zu finden; es war, als stünde die Zeit mit verschränkten Armen neben der Tür.

Der Mann am Kopfende klatschte einmal, leise. Aus der Seite des Raumes glitt eine weitere Gestalt, schmal, in Weiß, das kein Krankenhausweiß war, eher das Weiß eines frisch gestrichenen Zauns. Sie trug eine Platte. Darauf, bedeckt, etwas Langes, Schmaleres. Die Luft wurde dichter, und der Geruch von Eisen trat ihm entgegen, zart und unvermeidbar. Die Gestalt stellte die Platte vor die Frau mit dem Hut, hob die Abdeckung mit einem Tuch – und er sah nichts. Oder: Er sah etwas, das jede Form verweigerte, eine Abstraktion aus Fleisch und Oberfläche, so sorgfältig angerichtet, dass es harmlos hätte sein können, wenn nicht das Licht genau diesen Ton getroffen hätte, der in die Kehle stieg.

Er erwartete, dass die Frau schreien würde. Sie tat es nicht. Ihre Hände bewegten sich, nahmen das Besteck, schnitten. Die Klinge machte ein Geräusch, das Erinnerung war. Er spürte seine Zunge im Mund, schwer, als wäre sie zu groß geworden. Er wollte aufstehen, etwas sagen. Der Mann am Kopfende hob kaum merklich eine Hand. Eine Geste, mit der man auch einen Hund beruhigen konnte, wenn man ihn kannte.

„Niemand zwingt Sie,“ sagte der Mann und sah ihn an, als hätte er die ganze Zeit auf ihn gewartet. „Der zweite Gang heißt Entscheidung. Aber Sie sind schon hier.“

Er fühlte, wie er nickte, obwohl er nicht nicken wollte. Der jüngere Mann links von ihm fragte mit einer Stimme, die nicht zu seinem Gesicht passte: „Und wenn ich nicht esse?“

„Dann sind Sie frei,“ sagte der Mann am Kopfende, und in dem Wort lag keinerlei Trost. „Frei von der Notwendigkeit zu wählen. Frei vom Ausgang. Frei vom Hunger. Der Abend endet für Sie sofort.“

Das Licht summte wieder, eine Nuance tiefer. Er dachte an die Karte in seinem Mantel. Bringen Sie niemanden mit. Es war eine Regel, die seltsam zärtlich klang. Wie ein Schutz. Oder wie eine Drohung, getan in der Grammatik eines Schutzes.

Die zweite Platte wurde hereingebracht und vor den jüngeren Mann gestellt. Der Geruch war nun klar. Eisen und etwas Mildes, das eine Kochweise verriet, bei der Wärme nicht tötet, sondern verwandelt. Er merkte, dass er die Luft mit den Zähnen teilte, als teile er Brot. Er sah die Hände des jungen Mannes zittern, nur ein wenig, und dann den ersten Schnitt, klein, wie ein Anfang, den man nicht als solchen erkennt.

„Sie werden nicht sterben,“ sagte der Mann am Kopfende, als spräche er in seinen Kopf. „Noch nicht. Es ist nur der Abend. Und am Ende sind Sie satt.“

Ein dritter Teller erschien vor ihm, abgedeckt. Die Hand, die die Glocke lüften wollte, hielt einen Herzschlag lang inne, als deutete sie eine Verbeugung an. Er hob die Abdeckung nicht. Er sah sie nur an, die gewölbte Metallfläche, in der sich das Licht der Lampe brach, und in der Mitte sein Gesicht, so verzerrt, dass es fremd wirkte. Die Hand der Bedienung – schmal, mit einer kleinen Narbe am Mittelfinger – blieb geduldig. Er legte die Finger auf den Rand der Glocke, spürte die Kühle des Metalls, und hob.

Die Form auf dem Teller war sorgfältig geschnitten, in dünne Scheiben, wie man es mit Respekt tut oder mit Abscheu, wenn man sich an Konventionen hält. Es hatte die Farbe der Dinge, die man nicht auf die Zunge legen sollte, und doch, er wusste es, war genau das die Erwartung, die hier im Raum hing wie eine weitere Lampe. Er suchte nach einem Rettungsanker, nach einem Einwand gegen die Realität, die sich unter der Abdeckung gesammelt hatte. Es gab keinen. Nur die leise Stimme in ihm, die sagte, dass er längst entschieden hatte, als er die Wohnungstür hinter sich schloss.

Er hob das Messer. Es wog nichts. Oder alles. Die Gabel auf dem Teller machte dieses kleine Geräusch, das einem sagt, dass man noch lebendig ist, weil man Dinge berührt und sie antworten. Er schnitt ein Stück ab, so klein, dass es die Geste eher nachahmte, als dass es sie vollzog, und führte es zum Mund. Der Geruch war jetzt direkt vor ihm, die Luft hungrig wie ein Tier zwischen seinen Fingern. Er dachte nichts. Er legte das Stück auf die Zunge.

Der Geschmack war nicht das, was ihm der Geruch versprochen hatte. Es war schlimmer. Nicht, weil es widerlich war – Widerlichkeit besitzt eine Ehrlichkeit, die tröstet –, sondern weil es etwas Bekanntes in sich trug, eine Erinnerung an Kindheit, an Süße in Suppen, an warme Küchen, in denen man die Teller mit Brot sauber wischte. Etwas, das man lieben konnte, wenn man nicht wüsste. Er schluckte. Es ging zu leicht.

Die Bedienung hatte sich längst zurückgezogen. Der Mann am Kopfende lächelte ohne Zähne, als hätte er sie für später gespart. „Gut,“ sagte er, und das Wort war so sanft, dass es fast freundlich war. „Sie sind angekommen.“

Er legte das Besteck hin. Seine Hände waren trocken. Er erinnerte sich an die tote Taube vor seinem Haus, an die rote Kordel, die der Wind hielt. Die Frau mit dem Hut nahm einen zweiten Bissen, der jüngere Mann starrte ins Glas, als läse er dort etwas, das in ihn hineingeschrieben worden war. Es gab keine Musik.

„Der zweite Gang,“ sagte der Mann am Kopfende, „liegt vor Ihnen und ist doch bereits hinter Ihnen. Wer den ersten Bissen nimmt, hat entschieden. Die Entscheidung ist kein Akt, sie ist ein Zustand.“

Er schaute auf den Teller. Es fehlte nichts. Er konnte so tun, als hätte er kaum gegessen, als wäre es ein Versehen gewesen, ein Ausrutschen der Hand. Doch in seinem Mund war der Geschmack der Wahrheit, warm und höflich, der sich nicht wieder herauslügen ließ. Er trank Wasser. Es half. Nicht gegen das, was er wusste, aber gegen den Durst.

In diesem Moment hörte er wieder das Schlagen aus dem Hinterhof – näher, klarer, als sei eine Tür geöffnet worden. Es klang nicht mehr nach Holz. Es klang nach etwas, das nicht brechen sollte, wenn man es liebt. Er sah, wie der Mann am Kopfende den Blick auf ihn richtete, nicht neugierig, sondern prüfend, als wollte er wissen, wie es um seine Fähigkeit stand, still zu bleiben.

„Es ist Brauch,“ sagte der Mann leise, „zu kosten, was man später sein kann.“

Das Wort sein stand zwischen ihnen wie ein Messer, das man vergessen hatte, wieder an den Rand zu schieben. Er verstand, was nicht ausgesprochen wurde, so wie man versteht, woher der Wind kommt, wenn das Laub sich neigt. In ihm formte sich ein Gedanke, klar wie eine Klinge: Wenn ich hier bleibe, werde ich ein Teil von etwas, das sich nicht interessieren wird, was ich war. Der Gedanke machte ihm weniger Angst, als er sollte. Vielleicht war es die Müdigkeit. Vielleicht war es der Hunger, der nie Essen meinte.

„Darf ich fragen,“ hörte er sich sagen, „wer mich eingeladen hat?“

Der Mann am Kopfende legte den Kopf schräg, als lausche er einer fernen Musik. „Sie selbst,“ sagte er. „Aber nicht heute.“

Der Abend ging weiter, ohne dass die Zeit sich bewegte. Es gab keine Uhr, und doch war jedes Glas rechtzeitig leer, jeder Teller rechtzeitig voll. Die Worte auf der Karte – Spiegel, Aufhebung – bekamen eine Schwere, die nicht in Buchstaben passte. Gesichter tauchten auf und versanken, wie etwas, das man im Wasser sieht. Die Stühle rückten kaum hörbar, doch ihre Spuren im Raum wurden tiefer. Auf seinem Teller zeichnete sich ein Muster ab, das nicht da gewesen war, bevor er zu essen begann.

Er dachte an den Namen, den er seit Jahren trug, und daran, wie selten er ihn laut aussprach. Er dachte an die Möglichkeit, ihn zu verlieren, so wie man ein altes Portemonnaie verliert: Man sucht kurz, dann ergibt man sich. Vielleicht, dachte er, ist das der Preis für das, was sie hier Abend nennen. Ein Preis, der nicht in Münzen bezahlt wird, sondern in Buchstaben, die man aus dem eigenen Pass schneidet. Die Vorstellung beruhigte ihn auf eine unheimliche Weise. Es war leichter, etwas abzugeben, wenn man nicht genau wusste, was es war.

Als die Bedienung seinen Teller ein weiteres Mal wechselte, fiel sein Blick auf ihre Hände. Die Narbe am Mittelfinger war scharf und kurz, wie eine Linie, die man zu früh beendet hat. Er stellte sich vor, wie sie entstanden sein mochte: ein Schnitt an einer Kante, ein Moment der Unaufmerksamkeit, eine Strafe aus Metall. Er wollte fragen, und tat es nicht. Es gab hier wenig Platz für Fragen, die nicht gestellt wurden, um beantwortet zu werden.

„Der Spiegel,“ sagte der Mann am Kopfende und setzte sich zum ersten Mal, ohne dass der Stuhl Geräusch machte. „Sehen Sie sich an.“

Vor jedem Gast stand plötzlich ein schmaler Spiegel, dort, wo zuvor nur die weißen Decken gewesen waren. Er war nicht ganz klar, vielleicht beschlagen, vielleicht matt von Alter. Er sah sein Gesicht, aber es war, als sehe er nicht sich, sondern eine Idee von ihm, eine Skizze. Die Züge standen etwas zu nah beieinander, die Augen schienen abwesend, und der Mund war die Linie eines Menschen, der gelernt hatte, wenig zu sagen, ohne zu lügen. Wer bist du? dachte er, und die Antwort kam nicht. Oder sie kam so selbstverständlich, dass er sie nicht hörte.

„Sehen Sie lange,“ sagte der Mann, „und essen Sie langsam.“

Er tat beides. Der Spiegel wackelte nicht, und doch schien sein Gesicht sich zu verschieben, in kleinen, kaum merklichen Bewegungen, als würde jemand, unsichtbar, Striche nachziehen, Schatten setzen, Wangenknochen ausradieren. Er erinnerte sich an ein Foto, das er einmal von sich sah, auf dem er aussah wie sein Vater, nur jünger; der Schreck darüber, dass Ähnlichkeit eine Form von Erbarmen sein konnte, und eine Form des Schicksals. Er aß, und der Spiegel aß mit.

Der Mann am Kopfende hob das Glas. „Auf die Aufhebung,“ sagte er, und alle tranken. Das Wasser hatte plötzlich einen anderen Geschmack, weicher, lauwarmer, als sei es eben noch durch menschliche Hände gelaufen. Er schluckte, und in dem Schlucken war der Gedanke, dass es kein Zurück gab, ohne dass irgendetwas auf dem Tisch blieb, das man nicht wieder in die Schublade legt, in der man die Nacht aufbewahrt.

Als sie aufstanden – denn sie standen irgendwann auf, auch wenn es keinen Grund gab –, war es dunkel draußen. Der Raum hinterließ an seinen Schultern das Gefühl, als hätte ihn jemand getragen. Der Mann am Kopfende trat zu ihm, nah genug, dass er den Atem hätte sehen können, wäre das Licht kälter gewesen.

„Morgen,“ sagte der Mann, „werden Sie wissen, ob Sie wiederkommen.“

„Muss ich?“ fragte er.

„Nein,“ sagte der Mann. „Aber Sie werden.“

Er spürte die Karte in seinem Mantel, sie war schwerer geworden. Er ging den Flur hinunter, vorbei an den Haken mit den Schatten der Mäntel, hinaus in die Nacht. Der Geruch von Eisen folgte ihm nur bis zur Ecke; dann ging er verloren, wie ein Hund, der eine andere Spur findet. Auf der Straße fuhr die letzte Straßenbahn, leer, und der Schaffner sah geradeaus, als wäre die Strecke ein Tunnel.

Er blieb stehen und sah zurück. Die grüne Tür hatte kein Gesicht. Er wartete auf ein Geräusch, auf ein Zeichen, auf ein letztes Wort. Nichts. Nur der Wind, der eine Zeitung aufhob und sie wieder fallen ließ. Er ging nach Hause, Schritt für Schritt, als müsse er dem Pflaster etwas erklären.

Vor seinem Haus lag die Taube nicht mehr da. Die rote Kordel am Balkon gegenüber hing lose, als hätte jemand sie müde losgelassen. Im Treppenhaus roch es nach nichts. Er schloss die Wohnung auf, trat ein, und die Uhr im Wohnzimmer schlug eine Zeit, die nicht stimmte. Er setzte sich an den Küchentisch und legte die Karte vor sich, als wolle er einen Vertrag unterschreiben, den niemand verlangt hatte.

Auf der Rückseite, die vorher leer gewesen war, stand plötzlich ein weiteres Wort, als hätte es die Nacht selbst mit einer Nadel in das Papier geritzt:

> Morgen: Namen.

Er strich mit dem Daumen darüber. Die Schrift glänzte nicht. Sie war da. Er lehnte den Kopf gegen die kühle Kachelwand und schloss die Augen. Der Geschmack des Abends saß noch auf seiner Zunge, freundlich und falsch. In seinem Inneren hob sich etwas, das groß genug war, um ihm Angst zu machen, und leise genug, um ihn nicht wecken zu müssen.

Er blieb so sitzen, bis die Uhr schwieg. Dann stand er auf, löschte das Licht, und die Wohnung wurde zu einer Fläche, auf der seine Schritte nichts hinterließen. Draußen zog der Wind durch die Straße, und irgendwo sehr fern klopfte jemand auf Holz, in einem Rhythmus, der keiner war. In ihm bildete sich ein Name, ohne Laut, ohne Buchstaben, nur als Ahnung von einer Form. Er wusste, dass er am Morgen anders aufwachen würde, auch wenn alles gleich aussah.

Die Nacht nahm ihn auf, nicht sanft, aber sicher. Und der Abend, der hinter ihm lag, legte sich wie ein zweiter Mantel über seine Schultern. In der Küche blieb die Karte aufrecht an das Salzglas gelehnt, und die Buchstaben auf der Vorderseite waren so schwarz, als wären sie in die Welt hineingebrannt.

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Manfred Harlos

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