21/06/2025
Guten Morgen, zur mehrteiligen Kolumne „Trading – Richtig Denken“ / von Michael Voigt
Wie in Trance steht der Trader auf, geht zum Fenster, öffnete es und atmete tief ein: »Die scheiß Börse macht mich fertig...«
Folgende Ausgangslage gilt es vorab zu überdenken …
Während man seit Stunden vor den Märkte sitzt, krabbelte der Markt in ganz leichten und unsauberen Schritten immer näher an den Stopp.
– »Jetzt bringe ich die Scheißbörse um!«, presste man zwischen schmalen Lippen hervor.
Aber was ein Trader im Anschluss meist tut, bringt nur ihn selbst um: Man verliert total die Nerven, zieht innerlich eine imaginäre P.ump.gun und ballert los... Kurzum: In der Wirklichkeit schließt der Trader, ohne jegliche weitere Chartbetrachtung, seine offene Kontrakte. Ergebnis: x-Punkte Minus.
Danach folgen meist noch zwei, drei weitere Minustrades; ein Trade in die entgegengesetzte, der andere daraufhin in die erneut ursprüngliche Richtung.
Aber .. und das ist interessant:
Der Trader ist sich keines Handelns bewusst. Er tradete nicht, sondern er ließ sich traden. Es ist ihm, als wären ihm die Trades aus Schwäche passiert. Nicht er wollte diese Trades eingehen, sondern diese Trades wollten von ihm eingegangen werden, ohne dass er dies bemerkt hätte.
Oder mit anderen Worten: Ein Trader fühlt sich, als wäre sein überlegter Wille mit einem mächtigen, wortlosen, aus seinem tiefsten Innern stammenden Befehl in einen unguten Widerstreit geraten und dabei unterlegen.
Wie in Trance steht sodann ein Trader auf, geht zum Fenster, öffnete es und atmete tief ein. »Die Börse macht mich fertig .... Das ist doch sicher nicht normal, oder?«
Man möchte plötzlich einfach nur nach Hause. Zurück in sein Bett und sich irgendwelchen Tagträumen hingeben! Stattdessen muss man sich mit diesem Drecksmarkt herumschlagen. Man muss! Der Markt steht ja schließlich kurz vor dem Durchbruch »von was auch immer« und das Konto hatte noch keinen Cent zugelegt. – Im Gegenteil.
Das Einzige, was zahlenmäßig wirklich zugelegt hatte, waren die roten Flecken unter den Augen!
Und dann ... ? Dann knallt man weitere Kontrakte market ins System und legt den Stopp aus lauter Frust an das Ende des Bildschirmes und lässt sich mit dem Gefühl tiefer Kränkung und Entwürdigung auf seinen Stuhl fallen...
Und nun?
Auf einmal drängt sich einmal mehr erneut die Frage auf, in wie weit die zwingende Neugier für den aktuellen Kurs und das zeitgleiche Schutzempfinden gegenüber der Position wirklich hilfreich ist, und ob der Gedanke »sein Orientierungsbedürfnis gegen ein Zerstreuungsbedürfnis zu vertauschen« nicht doch einen eigenen Wert an der Börse hat.
Einen sonniges Wochenende // MV