01/07/2024
„Was geht denn hier ab?“ 😳
Es ist der 18. September 2016. Ich sitze gemeinsam mit anderen Teilnehmer(inne)n der Familylab - Supervision in einem großen Saal des Bürgerzentrums in Köln-Nippes.
Wenige Minuten vorher hatte ein Mann den Raum betreten. Er stellte sich kurz vor und stellte die Frage, wer von uns einen Fall bearbeiten möchte.
Eine junge Frau meldete sich. Sie sagte sie sei Jugendamtsmitarbeiterin und würde sogenannte „8a - Fälle“ (Kindeswohlgefährdung) bearbeiten. Ein Fall bereite ihr dabei besondere Bauchschmerzen. Sie arbeite aktuell mit einer 6-köpfigen Flüchtlingsfamilie aus Syrien, die ihr sehr ans Herz gewachsen sei, käme dort aber nicht weiter. Sie wollte sehr gerne helfen, könne dies aber nicht, was - wie sie sagte - nicht bloß mit der Sprachbarriere im Zusammenhang stand, sondern auch damit, dass zwischen ihr und der Familie kein Vertrauen entstand und man sich ihr gegenüber nicht richtig öffnete. Sie sei mit ihrem Latein am Ende.
Ohne große Erklärungen bat der Mann die Frau darum, für jedes Familienmitglied der syrischen Flüchtlingsfamilie einen Stellvertreter aus unseren Reihen zu wählen und fing an zu arbeiten. Im Raum wurde es mucksmäuschenstill. Es herrschte eine Stille und Präsenz, wie ich sie noch nie zuvor in einem Raum mit so vielen Menschen erlebte.
Es entwickelte sich ein dynamischer Aufstellungsprozess und ich wurde Zeugin, wie es der Jungendamtsmitarbeiterin zunehmend wie Schuppen von den Augen fiel und sie mit jeder Minute dankbarer wurde für die Einsichten, die sie erhielt und die wichtigen Hinweise, wie sie der Familie nun wirklich helfen kann. Sie mochte die Familie und wollte alles dafür tun, um sie zu unterstützen anstatt den Eltern einfach ihre geliebten Kinder zu entreißen.
Der Nachmittag ging so weiter. In einer Pause sprach mich eine Kollegin an. Sie hätte auch ein Anliegen und wolle es gleich aufstellen lassen. Ob ich wohl so lieb wäre, mich als Stellvertreterin hierfür zur Verfügung zu stellen. Ich stimmte zu. Nach de Pause meldete sie sich sofort und durfte ihren Fall bearbeiten. Ich wurde als Stellvertreterin aufgestellt. In mir spielte sich etwas magisches ab. Etwas, was ich noch nie zuvor erlebt hatte und was mir auch niemand vorher hätte annähernd erklären können, sodass ich es verstanden hätte. Ich tauchte als Stellvertreterin in die Seelenenergie des Menschen ein, den ich repräsentierte. Mir ging es plötzlich schlecht. Ich wurde mit einem Mal tieftraurig und musste bitterlich weinen. Es war mir peinlich. Sehr peinlich. Vor so vielen Menschen plötzlich zu weinen. Ich wollte das nicht. Aber es überkam mich und ich konnte mich nicht dagegen wehren.
Auch dieser Fall wurde gelöst.
Ich war Feuer und Flamme 🔥 DAS wollte ich auch können. Alles darüber lernen. Wie macht man sowas? Wie leitet man solche Aufstellungsprozesse? Und wie um alles in der Welt geht das, dass ich mich in jemanden einfühlen kann, ohne ihn je zuvor kennen gelernt zu haben?
Zwei Jahre später startete meine Fortbildung. Insgesamt 6 Module über einen längeren Zeitraum. Mein bis dahin mit Abstand teuerstes Seminar. Jeden Cent war es wert und noch viel mehr. Denn dort habe ich die Beziehung zu meiner Mutter geheilt, die katastrophal war und 7 Jahre zuvor in einem abrupten Kontaktabbruch meinerseits endete. Ich stellte mich meinen tief sitzenden Ängsten und brachte damit sehr viel Heilung in unser Familiensystem ♥️
Diese Weiterbildung und die darauffolgenden Supervisionen und Aufstellungswochenenden war die krasseste Empathieschulung meines Lebens. Dennoch traute ich mich nicht, das, was ich da erlebt und gelernt hatte, weiterzugeben. Zu groß schien mir die Verantwortung. Zu überwältigend die Konfrontation mit schweren Schicksalen anderer Menschen.
Letztes Jahr im April besuchte ich dann ein Retreat. Es ging um das Thema Berufung. Meinen Maklerjob konnte und wollte ich nicht mehr machen. In einem eigenen Aufstellungsprozess zeigte sich ganz klar, dass Aufstellungsprozesse zu begleiten und zu leiten voll mein Ding ist. Ich sprach mit niemandem darüber. Traute dem Braten nicht. Bis ich im April gebeten wurde, einen Prozess zu begleiten. Und gleich darauf ein ganzes Wochenende zu organisieren. In meinen neuen Praxisräumlichkeiten in Wuppertal-Ronsdorf. Das Wochenende ist gestern Abend zu Ende gegangen. Und es ist kaum in Worte zu fassen. Ein großes Geschenk 💝
Da ist sie endlich! Nach jahrelanger Suche. Meine Berufung. Genau so fühlt es sich an.
Ich bin zutiefst dankbar für das Vertrauen, das in den vergangenen 2 Tagen zwischen den 8 Teilnehmer(inne)n entstanden ist. Für die Prozesse, die sich gezeigt und gelöst haben. Für die neuen Erfahrungsräume, die sich für alle aufgetan haben.
Bald geht es weiter. Das nächste Aufstellungswochenende gestalte ich gemeinsam mit meiner Freundin und Kollegin Klaudia Rohde-Müller. Am 24.08. & 25.08. arbeiten wir ganztägig mit 10 Teilnehmer(inne)n an ihren ganz persönlichen und individuellen Herausforderungen.
Du kannst dich hier anmelden: https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSefplnMQ3Rk8SS8YzgiOHR1Zis_dlA1vyTOVbjw1V1rbPfcUw/viewform?vc=0&c=0&w=1&flr=0
Ich freue mich, dich kennenzulernen und dich gemeinsam mit Klaudia bei deinem nächsten Entwicklungsschritt zu begleiten.